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Berlin: Elektronisches Ticket: Der große Wurf ging erst mal daneben

Die BVG ist von dem neuen Fahrschein fest überzeugt, dabei lassen Tests im Rheinland nichts Gutes erwarten

Es soll der ganz große Wurf im Nahverkehr werden: das elektronische Ticket. Von 2006 an will die BVG die Chipkarte einführen, die dann ein kilometergenaues Abrechnen der zurückgelegten Fahrstrecke ermöglichen soll. Und fälschungssicher soll sie auch sein. Im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) ist das Gegenteil erreicht worden. Dort gibt es einen schwunghaften Handel mit Schüler- und Abonnements-Karten, die als gestohlen gemeldet und deshalb gesperrt wurden. Denn das Sperrsystem funktioniert nicht. Über 50 000 als gesperrt gemeldete Karten sollen deshalb schon im Umlauf sein.

Die BVG-Verantwortlichen aber sind überzeugt, dass sie diese Probleme in den Griff bekommen, obwohl sie mit ihrem System Neuland betreten wollen. Eine elektronische Abrechnung nach Luftlinien-Kilometern gibt es in dieser Form bisher nicht. Sie ist aber für das neue Tarifsystem erforderlich, dass die BVG einführen will. Kurze Strecken sollen dabei verhältnismäßig billig werden, lange dagegen teuer.

Ursprünglich hatte die BVG geplant, zunächst nur Abo-Kunden mit Chipkarten auszustatten. Eine Einzelabrechnung der Fahrten sollte es dabei in der ersten Stufe nicht geben. Dafür versprach man sich eine Fälschungssicherheit. Bei Verlust oder Diebstahl können die Chipkarten zudem einfach gesperrt werden. Zumindest in der Theorie. Die Praxis an Rhein und Ruhr sah anders aus.

Bei Kontrollen überprüft ein Lesegerät den Chip und vergleicht die Daten mit denen auf der Sperrliste. Deren Daten waren aber nicht immer vollständig, so dass gesperrte Karten bei der Kontrolle nicht erfasst wurden. Zudem dauerte die Kontrolle so lang, dass Fahrgäste aussteigen konnten, bevor der Kontrolleur sie angesprochen hatte. Der VRR versucht jetzt, das Einlesen von sechs auf zwei Sekunden zu verkürzen. Besonders Schüler haben diese Lücken im System genutzt und ihr „Schokoticket“ als gestohlen gemeldet, nachdem sie es verkauft hatten. Für die Kontrolleure war es oft schwer, die Identität der Kinder bei Kontrollen festzustellen.

Auch in Berlin hätte es beim Vorgehen der BVG Lücken in der Kontrolle gegeben. Ursprünglich wollte die BVG die Chipkarten für Abonnenten auch ohne Beteiligung der S-Bahn einführen, deren Bedenken nicht ausgeräumt waren – und sind. Wer dann mit einer solchen Karte unterwegs gewesen wäre, könnte in der S-Bahn gar nicht überprüft werden. Ein neues Tarifsystem kann allerdings nur gemeinsam eingeführt werden.

S-Bahn und Regionalbahn haben erhebliche Zweifel an der Wirtschaftlichkeit des elektronischen Tickets, das dafür erforderlich ist. Die BVG nennt Einführungskosten von etwa 50 Millionen Euro. Experten rechnen mit Kosten, die mindestens doppelt so hoch sind. Derzeit kosten Plastik-Chipkarten zwischen drei und fünf Euro. Und während die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen das Projekt mit 33 Millionen Euro unterstützte, will der Senat den Zuschuss an die BVG weiter kürzen.

Bei einem anderen Prestige-Projekt hat die BVG bereits einmal kräftig draufgelegt. Lücken in der Kontrolle beim „personenbedienten Verkaufssystem (PVS)“ führten nach Informationen des Tagesspiegels zu Verlusten in Höhe von mehr als zehn Millionen Euro.

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