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Berlin: Elmar Jahnke (Geb. 1965)

„Wir wollten immer von ihm gerettet werden.“

Zwei Wochen vor seinem Tod verlobte sich Elmar Jahnke auf einem Segeltörn mit Antje, seiner großen Liebe. Als Feuerwehrmann eine Frau zu finden ist nicht leicht. Man verbringt mehr Zeit auf der Wache als daheim. Die Belastung ist hoch. Der Hüne mit dem breiten Schnauzbart bis hinunter zum Kinn war für die Arbeit wie geschaffen.

Gleich der erste Einsatz wurde zum Härtetest: Elmar, noch nicht volljährig, musste am Bahndamm eine kopflose Leiche bergen.

Die trinkfeste Truppe der Feuerwache am Müggelsee wurde bald seine zweite Familie. „Wir löschen jeden Brand“ war ihr Leitspruch. Zwei Männer spielten damals eine große Rolle in Elmar Jahnkes Leben, der Wehrleiter der Freiwilligen Feuerwehr in Friedrichshagen und Onkel Elmar, der das Leben so unbeschwert anging. Wer prägte ihn mehr? „In moralischen Dingen sicher der Mann von der Feuerwehr, in unmoralischen Dingen ich“, sagt der Onkel. Er verbrachte mit seinem Neffen viele Wochenenden angelnd und herumalbernd am See.

Das war der eine Elmar Jahnke, der sein Leben genoss: Ein Mann, der sich auf der Party schiefe Zähne und dicke Brille aufsetzte, um mit Gedichten und Grimassen dem bezahlten Animateur die Show zu stehlen. Kam er Heiligabend von seiner Arbeit als Weihnachtsmann angetrunken heim, von dankbaren Eltern mit Schnäpsen belohnt, legte er sich unter den Weihnachtsbaum und schlief friedlich ein. Die langen Einkäufe mit Antje waren ihm ein Graus. Dann probierte er in der Ramschecke singende Plastikblumen aus oder verlangte mit hochernster Miene Pumps in der Größe 46.

„Wer immer ihn kennenlernte, musste von ihm angetan sein“, sagt einer der Freunde. Weil Elmar Jahnke trotz seines Dienstes als Oberbrandmeister bei der Berufsfeuerwehr unter chronischem Geldmangel litt, nahm der gelernte Schmied und Krankenpfleger zuletzt einen Nebenjob in der Diakonie-Sozialstation Rahnsdorf an. Er war der einzige Mann auf der Station. „Schwester Elmar“ eroberte die Herzen der ängstlichen alten Damen im Sturm. Eine 97-Jährige war wie verzaubert, wenn sie ihm seinen Bart zwirbeln musste, während er vor ihr kniend die Verbände wechselte. Und auch die Pflegerinnen schwärmen: „Wir wollten immer von ihm gerettet werden.“ Durch die lange Erfahrung als Rettungsassistent strahl- te er Souveränität und Ruhe aus. Immer hatte er einen Notfallkoffer mit Defibrillator dabei. Nicht helfen zu können war sein Albtraum. Als er aus einem brennenden Haus selbst die Lippenstifte der darin wohnenden Tschechinnen rettete, küssten sie ihn hinterher dankbar.

Mehr als einmal geriet er selbst in Lebensgefahr, ernsthafte Verletzungen waren nichts Ungewöhnliches. Aber die merkwürdigsten Unfälle geschahen ihm in der Freizeit. Er fiel vom Fahrrad in eine spitze Schere, ertrank fast beim Tauchen oder brach sich beide Sprunggelenke, als er übermütig auf einem Transportförderband turnte.

Das Sicherheitsbedürfnis anderer befremdete Elmar Jahnke. Und doch sehnte er sich nach einer eigenen Familie. Mit der zweiten Partnerin baute er ein Haus. Doch obwohl er sich sicher war, „eine Beziehung ist zu 90 Prozent reine Vernunft“, hielt die Beziehung nicht lange. Nach ihrem Auszug schottete die Verflossene das gemeinsame Kind streng vom Vater ab. Dem brach fast das Herz.

Mit Antje blieben ihm zweieinhalb glückliche Jahre. Heute schüttelt die Verlobte den Kopf, wenn sie an Elmar Jahnkes letzten bewussten Tag zurückdenkt. Lange hatte er schon Herzschmerzen, lange hatte er sie verdrängt. Am folgenden Tag wollte er sich endlich untersuchen lassen. Aber erst mal musste er noch das Haus putzen und den Rasen mähen, trotz der Schmerzen. Das war seine andere, die pflichtbewusste Seite. Ruhe gönnte er sich selten. Er wollte nicht wahrhaben, dass er sich am Hausbau und den drei Jobs übernommen hatte. In der Nacht erwischte ihn der Infarkt auf der Wache, eine Woche später starb er. Karolin Steinke

Karolin SteinkeD

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