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© David Heerde

Elterngeld: Daddy cool

Seit es Elterngeld gibt, gehen sechsmal so viele Väter in Babyurlaub. Damit sind die Berliner bundesweit spitze. Vergleicht man die Zahlen der Väter in Elternzeit allerdings mit denen der Mütter, so relativiert sich der Superlativ.

Die einzige Unvollkommenheit in seiner Beziehung zu Lola empfindet Jan Langebartels, wenn er zu Hause die Mikrowelle öffnet. Dann muss er den blubbernden Brei herausholen und seiner neun Monate alten Tochter mit viel Geschick in den Mund löffeln. Mutter Pascale nimmt die Kleine dagegen nur locker an die Brust. Doch ansonsten findet er das ständige Zusammensein mit Lola „großartig“. Langebartels wohnt in Prenzlauer Berg, ist Meister für Veranstaltungstechnik – aber zur Zeit befindet er sich in Elternurlaub. Vor dem 1. Januar 2007 wäre der 41-Jährige in dieser Rolle ein Pionier gewesen – doch seither wird das neue Elterngeld gezahlt. Dadurch hat sich der prozentuale Anteil der Väter an der Gesamtheit aller Elterngeldbezieher in Berlin auf 20,7 Prozent erhöht und damit versechsfacht. Das ist im bundesweiten Vergleich ein Spitzenwert.Insgesamt waren Mitte dieses Jahres rund 2000 Männer in Babypause.

Betrachtet man allerdings den Zeitraum, in dem Männer und Frauen in Elternurlaub gehen, so relativiert sich der Superlativ. Für ein Jahr entscheiden sich noch immer neun von zehn Müttern. Bei den Vätern ist es nur jeder siebte. Rund 65 Prozent nehmen sich maximal zwei Monate Zeit für die Kinderbetreuung.

Gleichwohl wird auch dies vom Senat, der Industrie- und Handelskammer (IHK) und von Vätergruppen als Fortschritt begrüßt. „Der Trend ist da, es ist ein erster wichtiger Schritt“, sagt Eberhard Schäfer vom „Väterzentrum“ in Prenzlauer Berg, das an der Marienburger Straße ins „Papa-Café“ einlädt. Und der Sozialwissenschaftler Peter Döge vom Berliner Institut für anwendungsorientierte Innovations- und Zukunftsforschung freut sich über „Denkblockaden, die langsam aufbrechen“. Das hat er bei seinen Väterstudien für Behörden herausgefunden. Ungewöhnlich beliebt ist die Babypause bei Männern mit kreativen Berufen. Vermutlich steht Berlin deshalb statistisch so gut da. In der Stadt gibt es besonders viele Unternehmen der Künstler- und Softwarenbranche. Das gewandelte Väterbild erlebt auch Jan Langebartels in seinem Alltag mit Lola in Prenzlauer Berg. Egal, ob beim Einkauf oder beim Plausch mit der Nachbarschaft, überall bekommt er „positive Feedbacks“. Insgesamt ist er sechs Monate in Elternzeit. „Gerade in den ersten Wochen konnte ich Lolas Mutter super den Alltagsstress vom Hals halten“, sagt er. Seit sie wieder arbeitet, genießt er die Tage zu zweit: „Knuddeln, bespaßen – da wächst eine Bindung, die uns keiner nehmen kann.“

So sieht es auch Landschaftsplaner Ulli Christmann aus Pankow, der sein Töchterchen Stina vier Monate lang betreut. „Viele neue Lebenserfahrungen und Fähigkeiten“ hat er erworben. Erst jüngst vollbrachte er im ICE sein väterliches Meisterstück. Stina schwamm in einem See, Papa windelte sie so flott, dass Mitreisende beeindruckt zuschauten.

Für den Väterforscher Peter Döge ist folglich die Papazeit auch ein „Traineeprogramm für Chaosmanagement und Flexibilität“. Firmenchefs könnten froh sein, wenn derart fit gemachte Mitarbeiter zurück ins Unternehmen kommen. Auf mehr Andrang müssen sie sich einstellen. Derzeit wollen 70 Prozent der Väter gerne mehr Muße für ihre Kinder haben und eine Babyzeit nehmen.

Das Elterngeld bietet ihnen die finanzielle Chance. Bis 2007 gab es nur Erziehungsgeld – monatlich 300 bis 450 Euro. Das Elterngeld beträgt hingegen 67 Prozent des Nettoeinkommens, höchstens 1800 Euro und mindestens 300 Euro. Seither nimmt die Gesamtzahl der Berliner Eltern in Babyurlaub zu – Mitte dieses Jahres waren es 9660 Mütter und Väter. Betrachtet man nur den Anteil der Väter, so fällt der Sprung von 3,5 Prozent in den Tagen des Erziehungsgeldes auf jetzt 20,7 Prozent ins Auge. In absoluten Zahlen gibt es dazu keine genaueren Angaben.

Der starke Anstieg liege vor allem an den Vätern mit mittleren und höheren Einkommen, erklären Statistiker. Das Elterngeld sei für sie ein akzeptabler Kompromiss. „Der Verdienstausfall ist ein Weilchen abgefedert“, sagt beispielsweise Siemens-Personalberater André Emmermacher. Er verließ im Juni 2009 für einen Monat die Firma und betreute Tochter Greta Amelia. Dass sich selbst Führungskräfte plötzlich trauen, mal fürs Baby auszusteigen, bemerkt man auch beim Energiekonzern Vattenfall oder in Berlins Bezirksverwaltungen. „Die meisten unserer Elternzeit-Männer kommen aus dem höheren Dienst“, sagt der Bürgermeister von Steglitz-Zehlendorf, Norbert Kopp (CDU).

Allerdings kehrt die Mehrheit schon nach zwei Monaten ins Berufsleben zurück. In der Regel, weil sie allzu große Einbußen im Lebensstandard befürchtet. Ein wichtiger Grund sei aber auch ein Missverständnis im Rahmen der Elterngeldregelung, heißt es im Väterzentrum. Denn die reguläre Bezugszeit von zwölf Monaten lässt sich auf 14 Monate verlängern, wenn sich beide Partner beteiligen. Diese zusätzlichen zwei Monate würden als „Schnäppchen“ und „Papa-Monate“ wahrgenommen, obwohl sich Mütter und Väter die Elternzeit frei einteilen können.

Der Psychiater und Väterbeauftragte der Charité, Jakob Hein, sieht die Papa-Monate aber durchaus positiv. Es sei erfreulich, dass inzwischen selbst konservative Vorgesetzte für eine kurze Pause Verständnis hätten. „Zwei Monate lassen sich gut vermitteln.“ Hein hat Erfahrung. Er soll Kollegen helfen, die sich für Vaterschaftsurlaub interessieren – ein einmaliger Posten in Berlin.

„Zwei Monate lassen sich gut überbrücken“, heißt es in vielen Unternehmen. „Zumal etliche Kollegen auch bei Männern für den Babyjob Verständnis aufbringen und sich gleichfalls mehr Muße für ihre Kinder wünschen.“ Jakob Hein kann das verstehen. „Wer sagt schon am Ende seines Lebens, er hätte gerne mehr Zeit im Büro verbracht?“

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