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© Kai-Uwe Heinrich

EM 2008: Viva España!

Während der bisherigen EM hat die deutsch-spanische Schülerin Marlene zu beiden Mannschaften gehalten. Doch jetzt, da Deutschland und Spanien sich im Finale gegenüber stehen, haben sie und die meisten ihrer Freundinnen einen klaren Favoriten.

Marlene trägt einen roten Haarreif und ein gelb-rotes Trikot, in Kyras Zimmer hängt ein Foto vom Stürmer David Villa, Celia hat die spanische Flagge wie ein Tischtuch vor sich ausgebreitet und auf Isabels Sommertop steht „I love España“. Gedruckt mit dem spanischen Buchstabe „ñ“ (sprich „enje“) – das ist wichtig. „Auf den meisten T-Shirts sieht man die deutsche Schreibweise ‚Espana‘. Das erinnert viel zu sehr an das deutsche Wort Spanner – das ist wie eine Beleidigung“, sagt Kyra entrüstet und wirft ihre langen dunklen Haare zurück. Wie viele ihrer Mitschülerinnen in der „Staatlichen Europaschule Berlin Deutsch-Spanisch“ in Charlottenburg stammt die Dreizehnjährige aus einer bilingualen Familie: Die Mutter ist Deutsche, der Vater Spanier.

Mit Ungeduld fiebern die Mädchen der siebten Klassen dem Anpfiff entgegen. Fast alle wollen das Spiel Deutschland-Spanien auf der Fan-Meile am Brandenburger Tor sehen. Sie planen, schon ab 12 Uhr hinzugehen, denn keine will riskieren, nicht mehr hineinzukommen, falls das Gelände wegen Überfüllung geschlossen werden müsste. Auch das Halbfinale gegen Russland haben sich Isabel und Kyra am Donnerstag dort angeschaut. Nach dem Spiel sind sie herumgelaufen und haben die ausgelassene Atmosphäre genossen. Dann sind sie mit Isabels Vater glücklich hupend im Auto über den Kudamm gefahren. „Insgesamt saßen wir mit zehn Personen im Wagen“, berichtet Isabel lachend.

"Sie machen schöne Tore"

Vor der Europameisterschaft war es für die meisten der Mädchen gar nicht so wichtig, ob sie sich selbst als Deutsche oder als Spanierin betrachten. Und auch während der Gruppenspiele und dem Viertelfinale waren sie quasi in beiden Lagern zuhause. „Ich habe eigentlich immer zu beiden Mannschaften gehalten“, erzählt Marlene. „Erst jetzt im Endspiel fühle ich mich wirklich zwiegespalten!“

Celia, deren Mutter Spanierin und deren Vater Mexikaner ist, hat bereits gewonnen: Zehn Euro hatte sie darauf gewettet, dass sich Spanien und Deutschland im Finale gegenüber stehen. Und wer wird das Spiel nun gewinnen? Ganz klar die Spanier, da sind sich die Mädchen sicher. „Sie spielen fair und konzentriert, und sie machen schöne Tore“, sagt Raquel, die jedes Spiel bei der EM geschaut hat. Ihre Freundinnen Isabel und Celia nicken, finden aber noch ganz andere Argumente: „Die Spanier spielen nicht nur gut, sie sehen auch toll aus.“ Vor allem die Stürmer David Villa, Sergio García und Fernando Torres finden alle sexy. Und sie wissen auch, warum Villa auf Fotos so selten lächelt: „Er spart sich sein Lächeln für uns auf“, sagt Isabel und lächelt ihrerseits charmant. Sie hat schon lange ausgerechnet, dass der Altersunterschied zwischen ihr und dem Spieler vom FC Valencia nicht viel größer ist als der zwischen ihren Eltern. Ihr Motto für die Möglichkeit eines Zusammentreffens mit ihm: Immer optimistisch bleiben!

Traurig finden es die Mädchen, das Endspiel nicht in Spanien, mit Teilen ihrer Familien, verfolgen zu können. Und schade sei auch, dass die Marcha Real, die spanische Nationalhymne, keinen offiziellen Text habe. Gern würden sie vor dem Spiel am Brandenburger Tor so richtig mitsingen. „Aber so schlimm ist das auch wieder nicht“, meint Kyra und lacht. „Dann denken wir uns eben unseren eigenen Text aus!“

"Mir sind die Spanier zu angeberisch"

Nur Paula, die auch einige Zeit in Spanien gelebt hat, hält im Finale zur deutschen Mannschaft. „Mir sind die Spanier zu angeberisch“, sagt das zarte Mädchen mit dem Pferdeschwanz kategorisch. Bei den anderen Mädchen kommen die deutschen Spieler nicht gut weg. Deren Fußballspiel wäre ja ganz ordentlich – aber sonst? Lahm sei recht nett, sympathisch aber nicht hübsch. Schweinsteiger sei nicht sehr attraktiv und Ballack viel zu alt. Nur Podolski sähe ziemlich gut aus. Viele Fußballspieler, egal aus welchem Land, hätten etwas Metrosexuelles, das sei attraktiv. „Es ist toll, dass Spieler wie David Beckham die femininen Seiten ihrer Persönlichkeit leben“, findet Celia.

Bis auf Dakota, der einen 2:1-Sieg für Spanien, das Heimatland seines Vaters voraussagt, sind fast alle Spanisch sprechenden Jungen in diesem Jahrgang lateinamerikanischer Herkunft. Die meisten von ihnen halten heute Abend klar zu Deutschland. Im Geschichtsunterricht haben die Jungen kubanischer oder argentinischer Herkunft viel über die Kolonialisierung Lateinamerikas gehört: Für die meisten ist Spanien ein rotes Tuch. Isabel traut sich erst jetzt vor dem Finale, mit ihrer spanischen Fahne über den Schulhof zu gehen, der übliche Spott ist ihr nun egal.

Nur Jan und Mauricio denken anders. Für sie hat Spanien auch etwas mit ihrer hispanoamerikanischen Herkunft zu tun. „Schließlich sprechen wir die gleiche Sprache, das verbindet unsere Völker“, sagen die beiden Jungen und würden sich gemeinsam mit den Mädchen über einen Sieg Spaniens freuen. Die ersten herzlichen Umarmungen für diesen Moment wurden schon geprobt.

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