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Berlin: Emma schnauft wieder

Ein Museum macht’s möglich: Nach 25 Jahren Pause fahren in Wittenberge erneut Dampflokomotiven – im Bahnbetriebswerk.

Wittenberge - Mehr als 25 Jahre fehlte in der Elbestadt Wittenberge das gewohnte Pfeifen einer Dampflok. Denn hier waren die schwarzen Kolosse jahrzehntelang repariert, geprüft oder für ihren nächsten Einsatz vor einem Güter- oder Personenzug vorbereitet worden. Im Mai 1987 rollten die letzten Dampfloks buchstäblich aufs Abstellgleis, weil der sogenannte Traktionswechsel zu Diesel- und Elektrolokomotiven im gesamten Netz der Deutschen Reichsbahn abgeschlossen war. Nun aber pfeift und zischt es wieder auf dem großen Bahnhofsgelände. Ein in Brandenburg einmaliges Eisenbahnmuseum macht es möglich. Der hier ansässige ehrenamtliche Verein hegt nicht nur die historischen Schmuckstücke, sondern setzt einige Exemplare regelmäßig unter Dampf und lässt sie über die Gleise rollen. Dazu kommen Dieselfahrzeuge, ein Katastrophenschutzzug und einige Unikate, wie etwa eine Schienenzugmaschine mit Trabimotor.

„Vier der sechs wieder im alten Schuppen stehenden Loks gehörten sogar einst zum Bahnbetriebswerk Wittenberge“, sagt Dennis Kathke vom Förderverein des Museums. „Sie gelangten über so manchen Umweg zuerst zu den Eisenbahnfreunden in Salzwedel, die sie schließlich zu uns bringen ließen.“ Heute werde das Museum gemeinsam von fast 100 Enthusiasten aus Salzwedel in Sachsen-Anhalt und aus Wittenberge geführt. Der Verein aus der 25 Kilometer entfernten Stadt auf der anderen Elbeseite muss am Jahresende alle Gebäude und Flächen räumen, da der Mietvertrag nicht verlängert wurde. Deshalb nahmen die Mitglieder gern das schon vor Jahren gemachte Angebot aus Wittenberge an, ein völlig neues Eisenbahnmuseum zu betreiben.

Allerdings kostete der Umbau des Bahnbetriebswerks für Besucher eine durchaus stattliche Summe. Rund 2,9 Millionen Euro mussten aufgebracht werden, von denen zwei Millionen aus der EU-Förderung und 400 000 Euro aus dem Landeshaushalt stammen. Den Rest steuerten die Kommune und der Verein selbst bei. Die Stadt sieht das Geld laut Bürgermeister Oliver Hermann gut angelegt. Es würden mehr Touristen nach Wittenberge gelockt und die lange Eisenbahntradition von Wittenberge bleibe unvergessen, sagte er. Regelmäßige Öffnungszeiten auf dem nur wenige Gehminuten vom eigentlichen Bahnhof entfernten Gelände können die Vereinsmitglieder in diesem Jahr noch nicht anbieten. „Aber an jedem Wochenende wird hier gewerkelt“, sagt Dennis Kathke. „Da sind Neugierige immer willkommen.“

Die Besucher können vor allem Lokomotiven der Baureihe 50 aus den dreißiger Jahren ganz aus der Nähe betrachten. Jedes einzelne Exemplar besitzt seine eigene Geschichte über das Auf und Ab der Eisenbahn. Mit Emma avancierte gleich das älteste Exemplar zum Liebling. Die grüne Lok stammt von 1925 und zog lange Zeit Waggons in einer Zuckerrübenfabrik bei Hannover. Vor 40 Jahren kaufte sie ein Liebhaber, der sie in seiner Scheune aufbewahrte. Irgendwann gelangte sie nach Salzwedel und dann nach Wittenberge, wo sie auf langen Gleisen viel Platz findet. Den muss sie sich nur mit einer Mitte der fünfziger Jahre gebauten Schienenzugmaschine teilen, die den Motor eines Trabant 500 erhielt. Mit 26 PS fuhr sie einen kleinen Güterwaggon oder auch Arbeiter zu Baustellen.

Ähnlich selten sind die Katastrophenschutzzüge der Deutschen Reichsbahn. Sie kamen in der DDR mit provisorischen Betten, Küchen und sogar Operationsräumen während Manövern der Roten Armee, mit der NVA und Einheiten anderer Ostblockländer zum Einsatz. Verletzte Soldaten wurden mit solchen Zügen sogar bis in die Sowjetunion gefahren.

Spannende Geschichten erfahren Museumsbesucher aus erster Hand. Die meisten Vereinsmitglieder sind lang gediente Eisenbahner.

Weitere Informationen unter www.lokschuppen-wittenberge.de

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