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Berlin: Endlich erstklassig

Für 25 000 Kinder war gestern ein großer Tag: Sie wurden eingeschult

Noëlles Schultüte ist fast größer als sie selbst. Noëlle ist erst fünf, sie gehört zum zweiten Berliner Jahrgang, für den die Schulpflicht schon mit fünfeinhalb gilt. Neben ihr steht Hanna, die eine Schultüte aus pinkfarbenem Samt mit einer kleinen Playmobil-Meerjungfrau trägt. Ein Blick auf den Schulhof der Neuköllner Peter-Petersen-Schule, wo sich die Schüler mit ihren Eltern sammeln, bevor es zur Einschulungsfeier in die Turnhalle geht, lässt die derzeitigen Schultütentrends erkennen: Spiderman, Superman und Formel Eins bei den Jungen, die seit Jahren unverwüstliche „Diddl“-Maus bei den Mädchen. „Diddl“ halte sich bei den Schulsachen schon lange als Statussymbol, bemerkt die Mutter der sechsjährigen Jaziha etwas gequält. Jaziha hofft, dass sie später „ganz viele Süßigkeiten“ in ihrer Diddl-Schultüte findet.

Rund 25 000 Grundschüler wurden gestern in Berlin eingeschult. In der Peter-Petersen-Schule sind es an diesem Vormittag 52 Erstklässler, die ihre Schultüten stolz vor sich hertragen. Am Ende der Einschulungsfeier werden die Neuen in sechs Gruppen aufgeteilt und von je zwei älteren Schülern in ihre „Stammgruppe“ gebracht. Denn an der Peter-Petersen-Schule wird seit zwölf Jahren das praktiziert, was für alle Berliner Grundschulen künftig verbindlich wird: die flexible Schuleingangsphase. Das bedeutet, dass die erste und die zweite Jahrgangsstufe zu einer Einheit zusammengelegt werden. Die Kinder können in dieser Schuleingangsphase ein, zwei oder drei Jahre bleiben, je nach Fähigkeiten. In diesem Schuljahr wird die flexible Eingangsphase zunächst vorbereitet: Die gestern eingeschulten Erstklässler werden nach dem Ende ihres ersten Schuljahres aufgeteilt und die Gruppen mit neuen Erstklässlern aufgefüllt, es entsteht eine Jahrgangsmischung. So soll individuelleres Lernen möglich sein, die Älteren können den Jüngeren helfen. Bisher ist die Skepsis noch groß. Eltern einer Grundschule in Wilmersdorf hatten sogar vergeblich gegen die Einführung der Jahrgangsmischung geklagt.

In der Peter-Petersen-Schule sind sogar die ersten drei Klassen zusammengelegt. Schulleiterin Ruth Weber kann die Bedenken gegen das Modell nicht verstehen, seit der Einführung habe man nur gute Erfahrungen gemacht. Die Vorteile seien schon bei der Einschulung spürbar: „Vom ersten Tag erfahren die Erstklässler Geborgenheit, die Älteren nehmen sie unter ihre Fittiche“, sagt Weber. Am gestrigen Tag der Einschulung verbringen die neuen Schüler nur eine Stunde in ihren neuen Klassenräumen. Gegen Mittag treffen die Schüler ihre Eltern wieder im Hof. Dort herrscht Gedränge, kaum einer der Erwachsenen, der nicht seine Videokamera oder zumindest einen Fotoapparat gezückt hat.

Hakan Eser steht bei Rosi Mateyka. Er kam 1979 in die erste Klasse der Peter-Petersen-Schule - Mateyka war damals seine Klassenlehrerin. Und jetzt wird sein Sohn Yasin, 5, eingeschult - auch in die Klasse von Frau Mateyka, das hatte sich der Vater gewünscht: „Das war von langer Hand geplant.“ Yasin sieht fröhlich aus. Obwohl seine riesige Schultüte schon fast leer ist. Ihm wurde zum Verhängnis, dass die Schüler ihre Tüten vor dem Gang ins neue Klassenzimmer bei den Eltern abgeben mussten. Während er die erste Unterrichtsstunde hatte, verteilte seine kleine Schwester den Inhalt an andere kleine Geschwister.

Lisa Zimmermann

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