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Berlin: Enfant terrible: Der schrille Walz des Ostens

Frank Schäfer streicht sich über das tätowierte Haupt. "Männerfrisuren", sagt der Friseur aus Prenzlauer Berg, und zuckt dabei mit den Schultern, "die interessieren mich eigentlich nicht so sehr.

Frank Schäfer streicht sich über das tätowierte Haupt. "Männerfrisuren", sagt der Friseur aus Prenzlauer Berg, und zuckt dabei mit den Schultern, "die interessieren mich eigentlich nicht so sehr." Wenn er lacht, dann klackern die Ohr- und Nasenringe des 42-Jährigen, die wenigen Falten in seinem jugendlichen Gesicht treten zutage.

Seine Kunden sind vor allem "reifere Damen", die "ein bisschen Geld" haben und auch den langen Weg aus den Westbezirken Wilmersdorf oder Zehlendorf nicht scheuen. Auffallend viele Schuldirektorinnen und Lehrerinnen seien darunter. Es ist eben "in", eine Frisur aus Schäfers Händen zu tragen.

Das Enfant terrible gilt als die schrille Antwort des Ostens auf Promi-Coiffeur Udo Walz, auch an Prince, Nina Hagen oder den Musikern von "Rammstein" hat Schäfer schon Schere und Rasiermesser angelegt.

Schuld an der Berufswahl war seine Mutter. Immer, wenn sie zum Haare schneiden ging, musste der kleine Frank mit. All die Frauen in den sauberen Kitteln, die Lockenwickler, die Gespräche, das gefiel ihm. Er beschloss, selbst Friseur zu werden, ignorierte den Wunsch seiner Eltern, die Frank viel lieber als Arzt oder Dirigent gesehen hätten. Schäfer kommt aus einer Künstlerfamilie, sein Vater Gerd E. Schäfer war ein bekannter Fernsehschauspieler in der DDR.

Vor 22 Jahren bekam Schäfer seinen Gesellenbrief, ein braver sozialistischer "Friseur-Facharbeiter" wurde er nie. Die wilden Frisuren, die er zur Zeit der Punkwelle kreierte, missfielen der Staatsmacht. "Die fanden da wohl eine politische Botschaft", mutmaßt Schäfer. Im Arbeiter- und Bauernstaat wurde die Luft für den Paradiesvogel zunehmend dünner, 1988 verließ er ihn.

In einem Friseursalon in der Nähe des Kurfürstendamm fand er eine Anstellung. Erfolglos habe er sich auch bei Udo Walz beworben, den er "sehr respektiert", aber sein Auftritt, erinnert sich Schäfer, war wohl eine Nummer zu schräg: "Ich kam zum Bewerbungsgespräch mit lauter Luftballons behängt."

Im Kreuzberger Szene-Salon "Kaiserschnitt" gebar er seine bisher schrillste Idee: Intimfrisuren. "Eigentlich sollte es nur ein Gag sein", sagt Schäfer heute und grinst dabei über das ganze Gesicht. Er und sein damaliger Chef wollten den Laden lediglich ein bisschen bekannter machen. Das Echo in der Presse war gewaltig. Plötzlich entstand eine Nachfrage, mit der Schäfer nie und nimmer gerechnet hatte. Auf einmal wollte sich alle Welt die Schamhaare frisieren lassen. "Ganz ehrlich - den meisten geht es um den Kick, den Sex", sagt Schäfer.

Am meisten schätzt Schäfer das Kommunikative an seinem Beruf: Sich die "Dramen" anderer Leute anzuhören und Lebenshilfe zu leisten. Der Frisierstuhl wird unter Schäfers Ägide zur kleinen Psychologencouch. "Ich animiere die Leute dazu, ihr Herz bei mir auszuschütten", sagt Schäfer. In Liebesdingen spielt er vorzugsweise den "advocatus diaboli": Bei Frust mit dem Ehemann rate er den Frauen grundsätzlich zum Fremdgehen.

Martin Groll

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