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Seine Patentanmeldung. Zhang hat einen Supermarkt und viele Ideen – wie schlauchlose Reifen fürs Fahrrad.

© Thilo Rückeis

Erfinder: Erfinder Tüftelten wie Daniel Düsentrieb - vor fünf Jahren

Entenhausen lag an der Spree: Vor fünf Jahren arbeiteten Hobbyforscher in Berlin an kuriosen Erfindungen. Schraubenlose Brillengestelle, Boote mit Solarantrieb oder Kameras, die Geräusche filmen. Was Eva Kalwa darüber schrieb.

Beinah täglich wird in Berlin etwas Neues erfunden, allein 2009 wurden in der Stadt fast 1000 Patente angemeldet. Fast ebenso viele private Erfinder gebe es, schätzt Peter Stepina vom Erfinderclub Berlin. Dazu kommen zahlreiche Menschen, die vor allem am Wissenschaftsstandort Adlershof und an der Technischen Universität forschen und hier meist am aktuellen Stand der Technik ihrer Spezialgebiete feilen: In Adlershof arbeiten Wissenschaftler unter anderem an Brennstoffzellenautos und verbesserten Lasern für den medizinischen Einsatz. Und an der TU, die derzeit 34 Erfindungen hält, entwickelt eine Forschungsgruppe zurzeit ein System, um Gewässer auch bei starkem Seegang von Ölverschmutzungen zu reinigen.

Anders als diese Forscher profitieren private Erfinder nur selten von beruflichen Netzwerken und Fördermitteln. Meist gehen sie alltäglichen Berufen nach oder sind Rentner oder Hausfrauen. Viele von ihnen hoffen dennoch, mit einer noch nie dagewesenen Idee irgendwann den großen Wurf zu landen. So wie Nachrichtentechniker Stefan Bongs aus Reinickendorf. Seit mehr als 20 Jahren tüftelt der 45-Jährige zusammen mit einem Freund an einem universellen Ladegerät für Akkus, nun will er das Gerät endlich zum Patent anmelden. Wie es genau funktioniert, darüber möchte Bongs nicht sprechen. „Das ist Erfindergeheimnis“, sagt er. Aber „sobald das Ding funktioniert, wollen die Leute das haben“. Sein Nachbar jedenfalls sei von dem Prototyp schon ganz begeistert gewesen.

Die Schwierigkeit, sich mit den reellen Vermarktungschancen und -strategien ihrer Idee auseinanderzusetzen, sei für viele Tüftler typisch, sagt Hans-Werner Oertel, der Erfinder bei der Öffentlichkeitsarbeit unterstützt. So kann es sein, dass jemand etliche Patente hält, aber keinen ökonomischen Nutzen davon hat. Im Gegenteil: Patentanmeldungen sind teuer, nicht zuletzt wegen der hohen Kosten für den Patentanwalt. Und ab dem dritten Jahr nach der Anmeldung werden außerdem jährlich Patentgebühren fällig. Um Neulinge zu unterstützen, unterhält der Erfinderclub Berlin seit über 30 Jahren einen monatlichen Stammtisch in Wilmersdorf. Selbst der 1988 verstorbene Berliner Nobelpreisträger für Physik, Ernst Ruska, war mehrfach zu Gast.

Heute kommt ab und zu auch Zhang Jian Hong. Der Geschäftsführer eines Supermarkts in Moabit und einer Karaoke-Bar in Charlottenburg hält fast 30 Patente und steckt sein Privatvermögen in seine Passion. Der Keller unter Hongs Supermarkt steckt voller Prototypen, die, so hofft der Erfinder, irgendwann zur Vermarktung kommen: ein Rollstuhl, der auch Treppen fahren kann, ein luftloser, leichtgewichtiger Fahrradschlauch und ein Kfz-Außenspiegel ohne toten Winkel. Selbst das Gerüst für Hongs neues Wellenkraftwerk steht hier. Die neueste Erfindung des 45-Jährigen sind ein stromleitendes Kondom und eine Kräutermischung, die beim Zigarettenentzug helfen soll – der erste Proband will Hong selbst sein.

„Das größte Problem ist, dass es kaum Schnittstellen zwischen privaten Erfindern und dem Mittelstand gibt“, so Oertel. Sie kämen fast nie zusammen. Insofern hat Johann Dudek Glück, denn er ist beides zugleich: Der 65-Jährige führt in Weißensee einen Familienbetrieb für Metall- und Maschinenbau mit rund 30 Mitarbeitern. Als ihm 2004 der damals arbeitslose Norbert Menning von dem Plan erzählt, ein Outdoor-Stepprad ähnlich den Geräten in den Fitnessstudios zu entwerfen, hat Dudek ein offenes Ohr für die Idee und stellt ihn ein. Da auch ein nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmter Mann im Betrieb arbeitet, wird aus dem Plan für ein Spaßrad das Vorhaben, ein Fortbewegungs- und Trainingsgerät für behinderte Menschen zu bauen. So entsteht das patentierte dreirädrige Stepprad für Erwachsene und Kinder, das auf die Bedürfnisse Behinderter abgestimmt ist und leicht bewegt werden kann, selbst wenn nur ein Bein funktionsfähig ist. 2009 gewinnt das Rad die Goldmedaille auf der Nürnberger Erfindermesse gegen 880 Konkurrenten aus 53 Ländern.

Mit einem Preis von über 4000 Euro ist das Stepprad den meisten Interessenten allerdings zu teuer, weshalb Dudek erst zwei Stück an eine Spandauer Klinik verkaufen konnte. „Daher bieten wir nun auch eine monatliche Miete für 150 Euro an.“ Enttäuscht war er, als zu einer Informationsveranstaltung über das Rad von über 200 geladenen Vertretern aus dem Senat und von Krankenkassen ganze drei kamen. „Ich bin froh, dass ich von der Erfindung nicht leben muss“, sagt Dudek. Wichtig sei es, behinderten Menschen helfen zu können. Und über die Urkunde mit der Goldmedaille in seinem Büro freue er sich natürlich auch.

Erfinderstammtisch an jedem ersten Mittwoch im Monat um 20 Uhr im Restaurant Guadalajara in der Berliner Str. 48/49. www.erfinderclub-berlin.de

Der Beitrag erscheint in unserer Rubrik "Vor fünf Jahren"

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