zum Hauptinhalt

Berlin: Erfolg im Langzeittest

Auch der vierte Klinikführer ist wieder eine Premiere: Bundesweit erstmals werden für eine ganze Region Komplikationen und Reparatureingriffe auch lange nach der Operation unter die Lupe genommen

Berliner Krankenhäuser übernehmen ab sofort länger die Verantwortung für ihre Patienten. Im wahrsten Sinne des Wortes. Bisher standen vergleichende Daten zur Behandlungsqualität nur für die Aufenthaltszeit in der Klinik zur Verfügung. Für diese meist nur wenigen Tage nach dem Eingriff werden gesetzlich vorgeschriebene Angaben zu Komplikationen, zu Infektionen oder auch zu Verstorbenen gesammelt und ausgewertet.

Viele Probleme im Heilungsprozess oder auch Behandlungsfehler treten beziehungsweise fallen aber erst nach der Entlassung aus dem Krankenhaus auf. Doch solcherlei Ereignisse wurden zuvor nicht erfasst. Weil das schwierig ist. Denn oft ist viel Zeit vergangen zwischen der Operation und einem dann vielleicht nötigen Reparatureingriff. Und nicht immer – und verständlicherweise – lässt sich der Patient wegen der Probleme erneut in dem Krankenhaus behandeln, in der die Erstbehandlung stattfand. In einer anderen Klinik aber ist er ein „neuer Fall“, die Erstbehandlung verschwindet vom Schirm der Qualitätssicherung.

In einem aufwendigen Verfahren und mit viel Unterstützung renommierter wissenschaftlicher Institute ermöglicht der Tagesspiegel in Kooperation mit Gesundheitsstadt Berlin und der AOK Berlin-Brandenburg nun bundesweit erstmalig den Vergleich der Berliner Krankenhäuser mithilfe von langfristigen Qualitätsdaten für eine Region.

Musste der Patient innerhalb von drei Monaten erneut in ein Krankenhaus, etwa weil die künstliche Hüfte schmerzte oder sich nicht richtig bewegen ließ? Trat plötzlich ein Gefäßverschluss durch ein Blutgerinnsel auf? Musste das Kniegelenk innerhalb eines Jahres erneut operiert werden, weil es sich lockerte?

Mithilfe der anonymisierten Versichertendaten der AOK Berlin-Brandenburg und umfangreicher Berechnungen ist es nun möglich, zu erfassen, ob Patienten binnen 90 Tagen nach der Operation verstorben sind oder binnen eines Jahres in irgendeinem deutschen Krankenhaus erneut behandelt werden mussten.

Berücksichtigt wurden dabei zunächst nur AOK-Patienten. Doch ergeben diese Daten schon eine sehr gute Orientierung, hat die Kasse in der Hauptstadt doch mit Abstand die meisten Versicherten.

Und wieder haben uns die Krankenhäuser Berlins mit ihrer Bereitschaft zu Transparenz im Interesse ihrer „Kunden“ überrascht. Obwohl die meisten von ihnen über keine Erfahrungen mit dieser Art der Qualitätsmessung verfügen und auch nicht wissen konnten, welches Ergebnis sie wohl erreichen würden, hat die große Überzahl der 38 betroffenen Krankenhäuser diese Daten zur Veröffentlichung freigegeben. Sie haben sich damit bereit erklärt, sich einem Vergleich der Behandlungsqualität in ihrem Haus über einen längeren Zeitraum zu stellen. Nur zwei Kliniken haben sich wegen methodischer Bedenken gegen eine Teilnahme entschieden.

Sicher, auch diesmal waren wieder längere Diskussionen mit den einzelnen Häusern nötig — doch letztendlich sind es diese fachlichen Debatten, die das Projekt besser gemacht haben.

Diese verlängerte Verantwortung wird, wenn sie sich in der deutschen Kliniklandschaft durchsetzt, ganz neue Fragen aufwerfen. Zum Beispiel danach, wie weit eigentlich die Verantwortung eines Krankenhauses für die Heilung reicht. Denn selbstverständlich entscheidet auch die anschließende Rehabilitationsbehandlung mit über den langfristigen Erfolg der Therapie. Ebenso beeinflusst der nachbehandelnde niedergelassene Arzt das Ergebnis. Und letztlich natürlich auch der Betroffene selbst. Nimmt er regelmäßig die verordneten Medikamente ein? Geht er selbstständig zu den empfohlenen Nachsorge-Untersuchungen?

Auch vor diesem Hintergrund haben wir uns für diesen neuartigen Klinikvergleich zunächst auf die Analyse von orthopädischen Operationen konzentriert, bei denen auch langfristig ein Zusammenhang zwischen bestimmten Komplikationen und dem Ersteingriff wahrscheinlich ist. Dafür wurden die Daten von knapp 14 000 AOK-Patienten analysiert, die in den Jahren 2005 bis 2007 in einer Berliner Klinik versorgt wurden, und deren Behandlungserfolg bis Ende 2008 weiterverfolgt.

Aber dieser Langfrist-Qualitätsvergleich für die Implantation von künstlichen Hüft- und Kniegelenken und bei der Behandlung eines Oberschenkelhalsbruches ist nicht die einzige Premiere im neuen Klinikführer Berlin, der nun schon in sein fünftes Jahr geht. Erstmals haben wir uns auch der Kinderheilkunde gewidmet.

Die Redaktion hat sich dafür als Erstes mit Vertretern der niedergelassenen Kinderärzte in Berlin zusammengesetzt und gemeinsam Erkrankungen von jungen Patienten ausgewählt, die typischerweise in den pädiatrischen Abteilungen der Krankenhäuser behandelt werden. Wir haben uns schließlich für die Behandlungen von Magen-Darm-Infektionen, Epilepsien und Diabetes, bei dem die Insulinproduktion gestört ist (Diabetes Typ1), entschieden. Zu diesen Erkrankungen, die im Jahr 2008 rund 4000 mal in den Pädiatrien behandelt wurden, haben wir die Kinderärzte der Stadt um ihre Klinikempfehlungen gebeten. Und 126 Doktoren – über 43 Prozent der niedergelassenen Pädiater in Berlin – haben sich an dieser Umfrage beteiligt.

Übrigens: Aus den diversen Klinikführern der vergangenen Jahre ist nun ein Kliniksuchportal mit einer umfangreichen Datenbank zu den Krankenhäusern in der Hauptstadt geworden. Unter der Internetadresse www.gesundheitsberater-berlin.de finden Sie Behandlungszahlen, Ärzteempfehlungen, Qualitätsdaten und eine große Artikelserie zu 75 Krankenhausbehandlungen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false