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Und wo ist unser Erzieher? Zu viele Kinder bevölkern offenbar Berlins Kitas.

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Update

Ergebnis von Sprachtests: Kitabesuch garantiert keine ausreichenden Sprachkenntnisse

Mehr als die Hälfte der Vier- bis Fünfjährigen, die in Berlin spezielle Sprachförderung brauchen, haben jahrelang eine Kita besucht. Dabei war man bisher davon ausgegangen, dass Kinder in der Kita leicht Deutsch lernen.

Jahrelanger Kitabesuch garantiert noch keine ausreichenden Sprachkenntnisse. Das ist das Ergebnis des aktuellen Sprachtests unter allen Vorschulkindern. Demnach hatte die Hälfte der Vier- bis Fünfjährigen mit Sprachförderbedarf zwei bis vier Jahre lang eine Kita besucht. „Das Ergebnis zeigt, wie sehr Rot-Rot die Kitas vernachlässigt hat“, sagte der grüne Abgeordnete Özcan Mutlu am Montag.

Mutlu hatte vom Senat mittels einer parlamentarischen Anfrage wissen wollen, wie sich die Sprachkenntnisse der Schulanfänger in den vergangenen Jahren entwickelt haben. Bildungs-Staatssekretärin Sigrid Klebba (SPD) verweist in ihrer Antwort auf die Sprachstandserhebung der Kitas von 2011. Diese hatte ergeben, dass – vergleichbar den Ergebnissen aus den Vorjahren – rund 17 Prozent der 27 000 Kitakinder aus dem Geburtsjahrgang 2006 einen „Sprachförderbedarf“ bescheinigt bekamen.

Dies bedeutet, dass sie dem Schulbesuch nicht gewachsen sind: Sie können vielleicht einfache Sätze verstehen und sprechen, aber nicht so gut, dass sie dem Unterrichtsgeschehen vollständig folgen können. Sie wären also von Anfang an in der Schule benachteiligt, wenn sie in dem verbleibenden Jahr bis zur Einschulung keine zusätzliche Sprachförderung bekämen.

Bislang war die Politik davon ausgegangen, dass sich der Befund verbessert, wenn die Kinder lange genug eine Kita besuchen. Da eine Kitapflicht als verfassungswidrig gilt, hatte der rot-rote Senat sich entschlossen, die Elternbeiträge zu streichen, damit der Kitabesuch nicht am Geldbeutel der Eltern scheitert. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) war mit diesem Millionengeschenk 2006 in den Wahlkampf gezogen. Nun zeigen die Zahlen aber, dass der Kitabesuch nicht unbedingt weiterhilft: Die Hälfte der 4600 Kinder mit schlechten Deutschkenntnissen hatte mehr als zwei Jahre eine Kita besucht, 700 von ihnen sogar mehr als drei Jahre. „Herr Wowereit muss jetzt merken, dass nicht die kostenlose Kita, sondern die Qualität Priorität haben muss“, kommentierte Mutlu.

Die Jugendverwaltung gibt zu bedenken, dass in den Zahlen auch Kinder mit Behinderungen oder Sprachfehlern enthalten seien. Zudem kündigt sie an, die Sprachförderung weiter zu verbessern. Dazu gehöre, dass der Betreuungsanspruch bis 2013 für alle drei Kitajahre auf sieben Stunden täglich erhöht werde. 

Warum die bisherigen Anstrengungen nicht ausreichen, bleibt umstritten. Marcus Luttmer vom Paritätischen Wohlfahrtsverband wies darauf hin, dass mangels deutscher Kinder in vielen Kitas die Sprachvorbilder fehlten. Nach seinen Angaben besuchen 56 Prozent der Kinder nichtdeutscher Herkunft Kitas, in denen mehr als die Hälfte der Kinder Deutsch nicht als Muttersprache spricht. Als weiterer Grund wird genannt, dass viele Eltern ihre Kinder nur unregelmäßig in die Kita schickten: Da der Besuch kostenlos sei, werde dieses Bildungsangebot nicht richtig gewürdigt, berichten Erzieherinnen. Luttmer hingegen betont, dass Kitas gezwungen seien, dem Jugendamt Meldung zu machen, wenn ein Kind länger nicht in die Einrichtung komme. Alles andere sei ein „Rechtsbruch“.

Im Bezirksvergleich fällt auf, dass ein Bezirk mit eher geringer Migrantenquote, nämlich Marzahn-Hellersdorf, an dritter Stelle beim Sprachförderbedarf steht (21,3 Prozent). Fachleute erklären diesen Wert mit der Spracharmut in Familien, die von Bildungsferne geprägt sind. Die größten Sprachprobleme haben Neukölln (28 Prozent) und Mitte (24 Prozent). Mit nur acht Prozent Sprachförderbedarf werden Pankow und Steglitz-Zehlendorf die besten Befunde bescheinigt.

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