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Berlin: Erinnerung, saukomisch

Der Eulenspiegel-Verlag wird fünfzig Jahre alt

In der Gründungsurkunde vom 1. Juli 1954 wird dem Verlag schon mal gesagt, wofür er da ist: für „die Herausgabe zeitgenössischer humoristisch-satirischer Literatur des In- und Auslandes sowie des kulturellen Erbes auf diesem Gebiet“. So entstand der für das Lustige in der DDR zuständige Eulenspiegel-Verlag. Aus ihm flog außer Büchern und Bildbänden bald auch – als Nachfolger vom „Frischen Wind“ – die Eule ins Land. Und Woche für Woche brachte er als „Eulenspiegel“-Magazin mit einer Auflage von 500 000 Humor und Satire, fein dosiert und (selbst)zensiert, unters Volk. Gestern lud der Verlag zur Jubiläumspressekonferenz, spendierte Apfelsaft und Selters, präsentierte bescheiden seine zeichnenden und schreibenden Stars mit Lothar Kusche an der Spitze. Vorgestellt wurde auch „Ente kross“, neuestes Werk des zeichnenden Kaufhaus-Erpressers Arno Funke alias „Dagobert“.

In 50 Jahren erschienen 2000 Titel, am beliebtesten waren wohl die „dicken Bücher“, also kiloweise gezeichneter Humor von Büttner, Schmitt, Jankofsky und auch Loriot. Henry Büttners skurrile Typen und manch anderes brachte übrigens die Chinesen derart zum Lachen, dass die Volksrepublikaner massenhaft die Eulenspiegel-Titel nachdruckten, ohne zu fragen. Bestseller seit 1993 ist mit zwei Millionen Auflage „Der Schein fürs Sein“, ein Nachdruck des kleinen DDR-Personalausweises. Zum Jubiläum erscheint ein Geschichten-Buch („Die traun sich was“), und am 6. April kommt das erste von vier Sonderheften „Das Beste aus fünf Jahrzehnten“.

Für die Auswahl wurden 40 000 Seiten gesichtet. Jetzt sitzt der Zensor nicht mehr im ZK, sondern an der Kasse, sagt eine Ober-Eule, stolz auf die jetzige Auflage von 120 000 Exemplaren des Humororgans, das seit 1990 ausgiebig mit Zeichenstift und Computer tut, was es 35 Jahre lang nicht durfte: Politiker auf die Hörner nehmen. Das erste Jubelheft (5,80 Euro) blickt auf die Jahre 1980 bis 1989, die Glossen und die Leserpost, die Passivisten und Spassivisten, Frisör Kleinekorte und der brave Schüler Ottokar im letzten Stadium der DDR sind saukomische Erinnerungen, auch an die Vertreter der herrschenden Klasse, und das waren für die „Eule“ nun mal Kellner, Verkäufer, Handwerker und Bürokraten.

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