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Bei den Veranstaltungen im ICC war alles dabei. Auf diesem Bild tagt der 30. Deutsche Krebskongress.

© dpa

Erinnerungen an das ICC in Berlin: Bockwurst, Papageien und Harald Juhnke

Was der Palast der Republik für die Ost-Berliner darstellte, ist das ICC für das alte West-Berlin: ein klobiges Symbol, in dem man sich gerne getroffen hat. Auch nach dem Umbruch 1989 fanden hier große Shows und Veranstaltungen statt. Erinnerungen an glamouröse Abende, akkurate Madames und nasse Smokings im Kongresszentrum.

Beim ADAC-Ball

Der ADAC-Ball im ICC – etwas Glamouröseres können wir Tanzschüler uns in den Achtzigern nicht vorstellen. Etwas Teureres allerdings auch nicht. Doch eine Freundin kennt jemanden, der uns durch den Hintereingang reinschleust. Sitzplätze haben wir zwar keine, doch schließlich sind wir ja auch für Walzer, Tango und Foxtrott da. Harald Juhnke ist der Topshowact, später am Abend traut sich Susanne, die Mutigste von uns, sogar, Eberhard Diepgen aufzufordern. Er war sehr charmant. Frederik Hanssen

Bei der Hertha-Versammlung

Um die Counter schlichen Herthinho und Landowsky – ein sicheres Indiz auf den Gastgeber: Jahrelang traf sich die blau-weiße Hertha-Familie unterm Funkturm und hielt im großen Saal 1 ihre Versammlungen ab. Es gab Bockwurst, Kartoffelsalat und ein Bier pro Person und Coupon. Höhepunkte waren stets die Beiträge unter Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“. Als es mal wieder ums Ganze ging, sich hunderte Fans vor den Saalmikros drängelten und Dieter Hoeneß seinen Kritikern „populistischen Käse“ vorwarf, kam es zur bis heute unvergessenen Wortmeldung eines Mitglieds. „Nüscht für unjut, wat eure Sorgen angeht, aber meine letzte Bahn is weg so spät: Kann mich eener bis Marienfelde mitnehmen?“ Michael Rosentritt

Als Hostess

Es ist dunkel, immer nur dunkel. Tageslicht dringt nicht hinein in den verschachtelten Bau mit den 70er-Jahre-Teppichen. Es riecht nach Muff und schwerem Parfum. Wir alle sind schon seit sechs Uhr auf unseren Posten. Seit zwei Tagen haben wir geübt, um zu wissen, wo das Restaurant Pullmann liegt und wo der Dachgarten. Haben gelernt, unsere Halstücher zu knoten – und dass wir keine Kopfschmerztabletten ausgeben dürfen. Wie jedes Jahr. Sicher ist sicher. Wenn ihr einen Fehler macht, drohen die Chefhostessen, könnte der große Autokonzern, der hier seine Hauptversammlung abhält, uns verklagen. Zehn Millionen Euro geistern immer wieder durch die Räume. Die meisten sind lange genug dabei, um zu wissen: Alles halb so wild. Wo müssen wir lang?, fragen die Aktionäre. Links die Treppe hoch, durch den langen Gang, da gibt es Bockwurst. Auf den Leinwänden Vorstandsreden, erboste Aktionäre. Wo gibt’s das Bier? Als um 22 Uhr endlich abgestimmt wird, sind die meisten schon weg. Die Bockwürste sind alle. Der Vorstand bleibt. Anke Myrrhe

An der Garderobe

Am meisten wird mir die Garderobenfrau fehlen. Eine wortkarge, akkurate Madame, die jeden März den Besuchern der Tourismusbörse ihre Wintermäntel abnahm. Wer ihr eine Freude machen wollte, brachte ihr eine Auswahl der Reiseprospekte mit. Eine Papageientour in den Urwäldern Costa Ricas? Eine Fahrt im Zarenzug der transsibirischen Eisenbahn? Da leuchteten ihre Augen auf. Sie legte das Rätselheft zur Seite, um sich in ein fernes Abenteuer zu stürzen. Bis der nächste Besucher seinen Mantel abgab oder abholte. Am Ende der ITB hatte sie stets einen Stapel Kataloge aus aller Welt aufgeschichtet. Und auf die Frage des Besuchers, wo sie denn am liebsten Urlaub mache, sagte sie: „Bei mir, auf dem Balkon.“ Johannes Groschupf

Im Wasserbad

Der 79. ADAC-Ball erlebte im Januar 2005 eine Orgie besonderer Art. Mitten im Kulturprogramm wurden dicke, an den Lüstern hängende Wunderkerzen gezündet. Dadurch stieg die feurige Temperatur, und die Sprinkleranlage dachte: Nun mal los! Wasser Marsch! Die Prominenten flüchteten unter die Tische oder standen im Regen. Eberhard Diepgen rannte in einen anderen Saal, US-Botschafter Dan Coats befreite Jörg Schönbohms Glatze vom Aquaplaning, und die damalige Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer tat das, was sie immer tat – sie lächelte das Problemchen weg: „Da kann man gleich mal sehen, wie gut die Anlage funktioniert.“ Nach 50 Sekunden wurde der Wasserhahn zugedreht. Die Smokings glänzten. Lothar Heinke

Beim Konzert

Das Raumschiff war eine intensiv bespielte Konzertarena. Allerdings war sie intensiv ungeeignet dazu. Das ergab ein Selbstversuch in den Neunzigern. Da spielte eine bekannte englische Band im ICC, die man sonst nicht gesehen hätte. Also rein in das Ding, Rolltreppen hoch: erste Betäubungsgefühle wegen der Klimaanlage. Rein in den Saal – hingesetzt. Eine Band mit einem für seine schnörkelige Tanzerei bekannten Vorsänger im Sitzen zu erleben, wirkte in einer Weise sedierend, dass von der Erinnerung nichts geblieben ist außer eines Wegdriftens in den Schlaf. Angeblich haben wir dort „Jethro Tull“ gesehen. Werner van Bebber

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