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Update

Kein Zusammenhang zur Bluttat in Buckow: Erneut Schießerei in Neukölln

Ein Streit zwischen einem Dutzend Männern eskalierte in der Sonnenallee, verletzt wurde dieses Mal aber niemand. Verwundert ist man bei der Polizei über die neuerlichen Schüsse in Neukölln aber nicht.

Nach einem Streit auf der Straße ist in der Nacht zu Donnerstag in Neukölln wieder scharf geschossen worden. Verletzt wurde niemand – im Gegensatz zu vorigen Donnerstag, als ein Unbekannter auf eine Gruppe junger Männer vor dem Krankenhaus Neukölln feuerte und dabei den 22-jährigen Burak B. tötete sowie zwei seiner Freunde schwer verletzte. Von dem Täter fehlt weiterhin jede Spur.

Im jüngsten Fall gab es gegen Mitternacht zunächst einen Streit zwischen zehn bis 15 Männern arabischer Herkunft in dem Shisha-Lokal „Umkalthum“ in der Sonnenallee, nahe der Pannierstraße – dem Kiez, der als angesagter Szenebezirk „Kreuzkölln“ gilt. Die Auseinandersetzung verlagerte sich dann auf die Straße, die Situation eskalierte, plötzlich fielen mehrere Schüsse. Die Polizisten verfolgten die flüchtende Gruppe und nahmen drei Männer im Alter von 20 und 25 Jahren fest. In der Nähe des Tatorts fanden sie eine scharfe Pistole. Sie wird als mögliche Tatwaffe untersucht. Nach ersten Erkenntnissen soll es ein 36-Jähriger gewesen sein, der auf einen 56-Jährigen aus der Gruppe gefeuert hatte. Nach beiden wird noch gefahndet. Laut Polizei ist die Ursache des Streits noch unklar. Ein Ermittler sagte, in ersten Vernehmungen hieß es, die Schüsse seien infolge einer hitzigen Debatte um die politischen Verhältnisse in Syrien und Saudi-Arabien gefallen.

Bei dem 36-Jährigen handelt es sich um ein Mitglied des polizeibekannten kurdisch-libanesischen Großfamilienclans S. Ob auch der Gesuchte bei der Polizei bereits als Krimineller bekannt ist, war gestern nicht zu erfahren. Die Ermittlungen wegen versuchten Totschlags werden vom Dezernat für Organisierte Kriminalität und Bandendelikte geführt.

Das Shisha-Lokal gilt im Kiez als Treffpunkt arabischer Männer, die hier ihre Wasserpfeife rauchen. Eine Mitarbeiterin wiegelte am Morgen nach der Tat ab: Sie habe nichts von einem Streit im Café mitbekommen. Die Anwohner, meist Eltern mit kleinen Kindern, die am Donnerstagvormittag nahe dem Tatort unterwegs waren, zeigten sich relativ unbeeindruckt von dem Vorfall. „Wir haben das Gefühl, dass uns das nicht betrifft. Das sind Parallelwelten, mit denen wir nichts zu tun haben“, meint Jens Bremer (35), der mit seiner Freundin und dem sechs Monate alten Sohn auf einer Bank an der Reuterstraße sitzt. Allerdings finde er es „schon krass, dass hier Leute mit einer Knarre im Café sitzen oder einer scharfen Waffe durch die Straßen laufen“.

Er wohne schon lange in dem Kiez, fühle sich auch wohl, aber meide die Spielcasinos und Shisha-Bars an der Sonnenallee, da sie ihm „zwielichtig erscheinen“. Auch die 33-jährige Astrid Sundsbö, die mit ihrem Sohn Elias durch ihren Kiez geht, hat keine Angst. „So was kann überall passieren. Ich fühle mich sehr wohl hier und bezweifle, dass die Anwohner hier gefährlicher leben.“

Dass vor einer Neuköllner Shisha-Bar scharf geschossen wird, verwundert einen Polizisten mit langjähriger Erfahrung in dem Kiez nicht. „Die Pistolen werden illegal über Kontakte im Ausland, oft aus dem ehemaligen Jugoslawien besorgt“, sagt er. Wie viele dieser illegalen Waffen kursieren, sei schwer zu sagen. Fest stehe nur, dass in der Regel „bei derartigen Auseinandersetzungen niemand einen Waffenschein hat“. Schießereien seien ihm als Ermittler vor allem bei Familienfehden unter arabischen Clans bekannt. Dabei sei oft, aber nicht nur Neukölln der Schauplatz, „weil sich hier viele der kriminellen Clanmitglieder niedergelassen haben, ihre Geschäfte machen und sich treffen“. Eine Kontroverse über die politische Lage Syriens als Auslöser für den Streit bezweifelt der Beamte. „Oft bleiben die wahren Gründe für die Polizei im Verborgenen, weil die Beteiligten sie verschweigen.“

Einen Zusammenhang zu den tödlichen Schüssen in Buckow sieht die Polizei nicht. Die Mordermittler fahnden mit Hochdruck nach dem Unbekannten, der offenbar völlig unvermittelt auf die Gruppe junger Männer in der Rudower Straße feuerte. Derzeit sind 39 Hinweise eingegangen, es gibt aber keine konkrete Spur. Deshalb soll in Kürze eine Belohnung für entscheidende Hinweise ausgelobt werden.

Am Donnerstag trafen sich hunderte Angehörige und Freunde am Tatort. Zum Gedenken auf Gehweg und Mittelstreifen war über Facebook aufgerufen worden. Ein Angehöriger hatte die Gedenkfeier auf einer Polizeiwache angekündigt, die Beamten sicherten das Treffen ab. Viele der Trauernden kamen mit einer roten Baseballmütze zum Gedenken, wie sie auch Burak B. gern getragen hatte. Er wird am heutigen Freitag um 15 Uhr in der Neuköllner Sehitlik-Moschee am Columbiadamm beigesetzt. Die Polizei rechnet mit mehr als 2000 Teilnehmern.

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