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Gegen die Wohnungsmisere in Berlin hilft nur eins, meint Gerd Nowakowski: bauen, bauen, bauen.

© Daniel Naupold/dpa

Der Berliner Senat und die Wohnungsmisere: Erst das Schiff versenkt, dann die Passagiere gerettet

Milieuschutzgebiete, Mietpreisbremse, Zweckentfremdungsverordnung: Berlins Senat schützt Mieter. Doch je lauter die Berliner SPD sich selbst lobt, umso weniger wird über die Ursache der akuten Wohnungsmisere gesprochen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Das war die Woche der Berliner Mieter. Rundumschutz komplett. Erst beschloss Berlins Landesregierung eine massive Ausweitung der Milieuschutzgebiete, dann verabschiedete der Bundestag die Mietpreisbremse. In 21 Quartieren gilt künftig ein Umwandlungsverbot von Miet- in Eigentumswohnungen. Dazu kommt der seit 2013 für ganz Berlin geltende, auf zehn Jahre verlängerte Kündigungsschutz für Mieter, deren Wohnung verkauft wird. Und die Zweckentfremdungsverordnung soll jenen das Handwerk legen, die dringend benötigten Wohnraum als Ferienwohnung an Ballermann-Kids vermieten, die dann den Rest der Hausgemeinschaft mit einer Dauerparty terrorisieren. Die Makler muss künftig auch der bezahlen, der bestellt. Wegen all der Neuerungen haben Notare derzeit Hochbetrieb, weil Investoren sich schnell noch für die aufgekauften Häuser die notwendigen Abgeschlossenheitsbescheinigungen holen – um auch weiterhin umwandeln zu können.

Ob all die mieterfreundlichen Instrumente halten, was das Papier verspricht, muss sich erst erweisen. Die Mietpreisbremse erlaubt auch weiterhin die freie Preisgestaltung bei Neubauten und nach einer umfassenden Sanierung; zweifelhaft ist, wie Mieter überprüfen können, ob sie für ihre neu bezogene Wohnung nur die erlaubten zehn Prozent mehr zahlen als der Vormieter. Das kann schwierig werden. Die Zweckentfremdungsverordnung muss auch erst einmal kontrolliert werden – mit jenem Personal, dessen Fehlen die Bezirke beklagen. Dass ein rigoroses Umwandlungsverbot neben den Investoren auch Familien trifft, die die günstigen Zinsen nutzen wollen, um zur Altersabsicherung eine Eigentumswohnung zur Selbstnutzung zu kaufen, kommt hinzu. Und viele Familien würden sich freuen, wenn es möglich wäre, eine Wohnung noch mit einem zweiten Bad auszustatten. Das gilt jetzt aber als Luxus und ist deswegen verboten in den Milieuschutzgebieten.

Wohnungsmisere trägt zum Teil sozialdemokratische Handschrift

Je lauter insbesondere die Berliner SPD das mieterfreundliche Kuschelpaket lobt, umso weniger wird über die Ursache der akuten Wohnungsmisere gesprochen. Die nämlich trägt in Berlin zumindest teilweise eine sozialdemokratische Handschrift. Jahrelang faselte etwa die bis 2011 amtierende Wohnungsbausenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) vom „entspannten Wohnungsmarkt“ in Berlin, als schon in den Innenstadtbezirken kaum noch eine freie Wohnung zu finden war. Kein Wort der Kritik an derlei Realitätsverleugnung war zu jener Zeit übrigens zu hören vom heutigen Regierenden Bürgermeister Michael Müller, damals SPD-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus.

Finanzsenator Ulrich Nußbaum, (parteilos, für die SPD) wiederum sorgte dafür, dass die starken städtischen Wohnungsbaugesellschaften nichts gegen die absehbare Wohnraummisere unternahmen. Mit rigider Hand trimmte Nußbaum die Gesellschaften vor allem auf Rendite; den Wortzusatz „Bau“ strichen die Wohnungsbaugesellschaften deswegen stillschweigend. Seine Liegenschaftpolitik, Grundstücke nur gegen Höchstpreis abzugeben, verhinderte zugleich, dass etwa Genossenschaften und Baugemeinschaften preisgünstige Grundstücke bekamen.

Dabei war der bundesweite Trend einer Orientierung der Menschen auf die großen Städte längst erkennbar. Ergebnis: Bis zum Ende des vergangenen Jahrzehnts wurden in Berlin jährlich nur durchschnittlich 3500 Wohnungen gebaut, davon waren auch noch die Hälfte Einfamilienhäuser. Weil die städtischen Gesellschaften über viele Jahre überhaupt nicht mehr neu bauten, kommt der vom Senat versprochene Neubau preiswerter Wohnungen nun nicht richtig in Schwung – es fehlen die Fachleute und das Know-how. Zugleich trug auch der Berliner Finanzsenator mit der überaus kräftig erhöhten Grundsteuer dazu bei, dass die Mieten stiegen.

Zurechtgezimmerter Erfolg

Viel zu spät besann sich der Senat deshalb auf das einzige Mittel, das Mietern wirklich hilft gegen die Angst, sich irgendwann die eigene Wohnung nicht mehr leisten zu können, das hilft gegen geldgierige Spekulanten und gegen den Verlust der sozialen Mischung in Berlin: bauen, bauen, bauen. Nur dann kann in Berlin, mit inzwischen 175 000 Bewohnern mehr als noch 2011, der Druck auf die Mieten wieder abnehmen. Nur dann können Angebot und Nachfrage wieder in Gleichklang kommen.

In Hamburg werden seit geraumer Zeit Jahr für Jahr 2000 Sozialwohnungen gebaut; das doppelt so bevölkerungsreiche Berlin schaffte 2014 gerade mal die Hälfte. Derzeit werden in der Hauptstadt immer noch neun von zehn Wohnungen von privaten Unternehmen gebaut, die – wenn nicht sowieso als Eigentum geplant – zumeist im hochpreisigen Bereich angesiedelt sind. Im vergangenen Jahr wurden 10 000 Wohnungen fertiggestellt – ein neuer Höchststand. Doch Fachleute halten angesichts der rapiden Bevölkerungszunahme die doppelte Anzahl für notwendig.

So kann man sich den eigenen Erfolg zurechtzimmern: Erst zu lange nichts tun, und sich dann als Retter der Mieter präsentieren. Freilich nur bei denen, die schon eine Wohnung haben. Die anderen müssen warten, bis sich der Wohnungsmarkt entspannt. Das wird noch dauern.

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