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Berlin: Es wurde Licht

Jedes Jahr behängen drei Spandauer Familien ihre Häuser üppig mit Festbeleuchtung. Jedes Jahr stauen sich dort Autos und Reisebusse. Und alles hat einen guten Zweck

Das blinkt und funkelt und strahlt wie in der Disco. An der Regenrinne fährt eine Leuchtkabel-Bahn hinauf zu Rentier-Rudolph auf dem Dach. Darunter seilt sich der Weihnachtsmann zu den Sternstrahlern im Garten ab. Am Zaun hängen Nikolausmasken und rote Schleifchen. In Baumwipfeln winden sich bunte Lampenketten. „Das sieht ja aus wie bei mir zu Hause“, sagt die gebürtige Amerikanerin Emily Brinks und blinzelt ins künstliche Lichtermeer. Die Frau aus Dallgow gehört zu den Dutzenden Schaulustigen, die sich abends vor den über und über geschmückten Leuchtfeuer-Häusern am Seegefelder Weg in Spandau versammeln. Seit dem ersten Advent und noch bis zum 31. Dezember illuminieren die Zeitschaltuhren die Häuser 394, 395 und 395a täglich um 16.15 Uhr. In der Woche ist um 22 Uhr, am Wochenende wieder alles um 23 Uhr zappenduster. Das erhellende Spektakel hat sich inzwischen nicht nur bei Medienvertretern aus aller Welt herumgesprochen, sondern auch bei Berlinern und ihren Besuchern.

So treten Auto- und BVG-Busfahrer auf die Bremse, legen Touristenbusse einen Umweg ein. Helga und Peter Richter kommen seit drei Jahren zum Gucken hierher. „Sieht doch hübsch aus“, begeistert sich die 60-jährige Charlottenburgerin. „Aber die Mieter im Haus rechts müssen gewechselt haben, da war früher mehr los“, vermuten die Stammgäste. Stimmt nicht. Familie Lück schmückt wie die Lindstädts links und die Walls auf der anderen Straßenseite seit 1998. „Damals haben wir bei Lindstädts ein Bierchen getrunken, und die Idee war geboren“, sagt die 66-jährige Ilse Wall. Das Haus rechts fällt aber wirklich ein wenig gegen die anderen ab – den Lücks wurde der Strom zu teuer.

Doch es gibt noch genug zu sehen beim Jahresendhappening mit Kakao und Glühwein. Auch Fotos der Häuser werden verkauft. Der Erlös geht an die Kinderkrebshilfe – jetzt sind 3089.50 Euro zusammengekommen. Camcorder blinken, Kamerablitze zucken. Und über Geschmack wird vortrefflich gestritten. „Für die Freude haben die ein Bundesverdienstkreuz verdient“, sagt eine Wilmersdorferin. „Wunderschön“, strahlt die Frau aus Nordrhein-Westfalen. „Abgefahren“, sagen Sylvia und Björn aus Hohenschönhausen. „Zu viel Geglimmer“, hält jemand dagegen. „Zu poppig“, pflichtet Christa Authorsen bei. Eine Nachbarin hat sich jetzt wegen des Leuchtfeuers beschwert. Andere fühlen sich herausgefordert und rüsten nach.

Und über allem leuchtet still und stumm der Mond.

Annette Kögel

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