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Berlin: Ex-CDU-Senatoren: Endlich Zeit für die Freunde

So richtig froh über die Art ihres Abganges war wohl keiner der ehemaligen CDU-Senatoren der Großen Koalition. Doch mindestens ein Gutes hat die Abwahl für die Betroffenen: mehr Freizeit und die Chance zu einer beruflichen Neuorientierung.

So richtig froh über die Art ihres Abganges war wohl keiner der ehemaligen CDU-Senatoren der Großen Koalition. Doch mindestens ein Gutes hat die Abwahl für die Betroffenen: mehr Freizeit und die Chance zu einer beruflichen Neuorientierung. Zum Nachdenken haben die ausgeschiedenen Amtsträger ein Vierteljahr Zeit. Solange erhalten sie ein Übergangsgeld vom Staat.

Auch wenn sein erzwungener Rücktritt noch nicht so lange zurückliegt, hat der Ex-Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen schon jetzt konkrete Pläne. "Ich trage mich mit dem Gedanken, wieder als Anwalt zu arbeiten", sagt der Jurist Diepgen. Seine Anwalts-Zulassung trat mit seinem Ausscheiden aus dem Amt wieder in Kraft. Doch zunächst einmal wird er vier Wochen Urlaub machen, wahrscheinlich an der "Badewanne der Berliner", der Ostsee. "Danach werde ich mich entscheiden, welche Visitenkarten ich drucken lasse."

Eckart Werthebach, der ehemalige Innensenator, erzählt gerne, dass er sich in den letzten Tagen ganz seinem Garten gewidmet habe. Im idyllischen Meckenheim bei Bonn kümmerte sich der passionierte Rosenliebhaber um seine stacheligen Schönheiten und stutzte seine Hecken - weit weg vom rebellischen Berlin und der PDS. Doch nun ist es mit der Idylle vorbei. Werthebach will sich jedoch nicht einfach zur Ruhe setzen und im CDU-Wahlkampf eine aktive Rolle übernehmen.

Für Wolfgang Branoner, Ex-Wirtschaftssenator, hat sich nicht viel geändert: Nach wie vor hat er Stress, geht erst um zwei Uhr morgens schlafen und wird gegen sechs aus dem Bett geklingelt. Nach wie vor macht er Politik - im Wahlkampf - und nach wie vor führt er Gespräche mit Wirtschaftsvertretern - "nicht mehr in einem eigenen Büro, sondern in Cafès oder Restaurants." Branoner vermisst seinen chauffeurgelenkten Dienstwagen. "Man kann nicht mehr während der Autofahrt arbeiten. Und in den öffentlichen Verkehrsmitteln auf den Knien Akten zu studieren, ist nicht einfach." Das einzige, was sich wirklich geändert hat: Branoner fand vor wenigen Tagen Zeit, mit seinem Sohn zwei Stunden lang neue Kleidung einkaufen zu gehen - das wäre im Amt undenkbar gewesen.

Auch Ex-Finanzsenator Peter Kurth probiert sich als Wahlkämpfer. Doch mit dem Arbeitspensum als Finanzsenator ist das nicht zu vergleichen. Das Mehr an freier Zeit nutzt er, um seine Freundschaften zu pflegen, die er im Amt vernachlässigen musste. Und er gönnt sich mehr Sport. Kurth hat sich für den Berlin-Marathon in drei Monaten angemeldet und sein Trainigspensum schon erhöht. Fast täglich läuft er eine Stunde lang und geht auch wieder regelmäßig ins Fitness-Studio. Er prophezeit: "Im September werde ich in der Marathonform meines Lebens sein."

Christoph Stölzl, der knapp ein Jahr lang Kultur- und Wissenschaftssenator war, hat zumindest eine Verbindung zu seiner Vor-Senatorenzeit wieder aktiviert. Nach der amtsbedingten Pause moderiert er seit letzter Woche wieder seine montagabendliche Radioshow "Nachtpilot" auf "100,6". "Eine wunderbare Sendung: Ich kann völlig frei über die Themen entscheiden. Die einzige Einschränkung - alle drei Minuten muss ein Song laufen." Selbst die Musik wählt Stölzl selbst aus. Der Lebensmittelpunkt des Bayern wird weiterhin Berlin bleiben. "Ich liebe diese Stadt. Darum habe ich vor meiner Zeit als Senator kulturpolitisch Stellung bezogen und werde es bestimmt auch künftig so halten."

Volker Kähne, Ex-Chef der Senatskanzlei, denkt zwar nicht mit Wehmut an den verlorenen Posten zurück. Aber ein wenig vermisst er sein Amt doch: "Ich hätte gerne weitergemacht." Auf der anderen Seite freut er sich über den Gewinn an Lebensqualität, seine Abende sind über Wochen ausgebucht mit Gesprächen mit politischen Weggefährten und Freunden. Kähne hat Zeit, Ausstellungen zu besuchen, wie die in Heiligengrabe über "Preußens Frauen", kann morgens ausschlafen und sich endlich die Muße nehmen, in Ruhe Zeitung zu lesen - "und nicht bloß die Pressespiegel vorgelesen zu bekommen".

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