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Berlin: Existenz auf Pump: Karriere eines Hochstaplers

21-Jähriger gab sich als Prinz, Fürst – und Neffe von Rudolf Seiters aus Der Schulabbrecher ging im Bundestag ein und aus. Jetzt sitzt er in U-Haft

Er trug weiße Anzüge mit Einstecktuch, handgenähte Schuhe und heuerte eine Taxifahrerin als Chauffeurin an. Als Prinz Jörg-Wilhelm-Ernst-Friedrich von Hohenzollern zu Sigmaringen absolvierte er ein Praktikum im Bundestag, später verkehrte er als Fürst Jörg Alexander zu Sayn-Wittgenstein zu Berleburg in der vornehmen Düsseldorfer Gesellschaft.

Die Sache ist nur die: Der junge Mann, 21 Jahre alt, Schulabbrecher, ist kein Adliger, sondern ein Betrüger. In Berlin war er wegen Urkundenfälschung verurteilt worden. Mal war er Arzt, mal Polizist. Anfang dieses Jahres soll er sich Zugang zu Büros von Bundestagsabgeordneten verschafft haben. Die „Neue Osnabrücker Zeitung“ berichtet, er habe ein Praktikum beim heutigen Wehrbeauftragten des Bundestags, Reinhold Robbe, begonnen. Nach Warnungen des Polizei- und Sicherungsdienstes wegen früherer Verurteilungen sei er nach wenigen Tagen entlassen worden. Einige Zeit lang ging er aber ein und aus, er gab an, ein Neffe des früheren Parlamentspräsidenten Rudolf Seiters (CDU) zu sein. Auf Veranstaltungen soll er sich als Praktikant des Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) ausgegeben und Kontakte zu Verbänden und Botschaften geknüpft haben. Gestatten, Prinz Jörg-Wilhelm-Ernst-Friedrich von Hohenzollern zu Sigmaringen. Im Mai, so heißt es bei der Polizei, endete die Parlamentskarriere. Der Pfortendienst des Hohen Hauses habe ihn beim Fälschen eines Bundestagsausweises ertappt.

Der Mann zog um nach Düsseldorf. War wohl besser so. Denn er kam keiner Bewährungsauflage nach, und sein Bewährungshelfer wurde langsam ungehalten. Für seinen Klienten hat sich der Umzug gelohnt, anfangs zumindest: Die bessere Gesellschaft redete ihn mit Durchlaucht an, er eröffnete Konten, ohne dass er einen Ausweis dafür gebraucht hätte. „Seine Durchlaucht“ fuhr zwei Luxuskarossen zur Probe und hatte sich bei einem Juwelier Siegelringe des Fürstenhauses bestellt. In Fünf-SterneHotels waren Partys arrangiert. Wenn Exzellenz einkaufte, dann in Edelboutiquen. Ein Kölner Herrenausstatter gab ihm Kleidung für 4500 Euro – ohne Geld zu sehen.

Zwei Monate ging das alles gut. Die vornehmen Kreise und renommierten Bankhäuser ließen sich von Habitus und Adelstitel blenden. Auf dem Schreibtisch des Düsseldorfer Kommissars Hans-Joachim Hering stapeln sich hunderte Kreditkartenabrechnungen. Binnen acht Wochen hatte es der mittellose Hochstapler zu zwei luxuriös eingerichteten Wohnungen gebracht – Plasma-Fernseher inklusive. Die Polizei rechnet nun mit mehr als 100000 Euro Schaden.

Erst als die Berliner Behörden den Mann suchen ließen und ein Düsseldorfer Kommissar zufällig auf teure Warensendungen stieß, flog der Schwindel auf. Als eine Chauffeurin die Pakete von der Post abholen wollte, wartete die Polizei auf sie. Hoheit saßen im Fond des Taxis. Ein Düsseldorfer Richter hat dem Hochstapler nun eine neue Unterkunft zugewiesen: Wegen Flucht- und Wiederholungsgefahr sitzt er in U-Haft. Marc Neller

Marc Neller

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