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Unbeschwert groß werden. Beim Kinderschutz hat Berlin Nachholbedarf.

© dpa

Fachkräftemangel: Der Kinderschutz muss warten - Vor fünf Jahren

Berlins Bezirke haben immer wieder über Personalmangel geklagt, wenn es um Versäumnisse im Kinderschutz ging. Sie taten sich schwer, Fachkräfte für zusätzlich geschaffene Stellen zu finden. Was Sabine Beikler darüber schrieb.

Von Sabine Beikler

Kinderschutz ist ein rot-rotes Kernprojekt. Nach jahrelangen Diskussionen verabschiedete das Parlament vergangenen Dezember das Kinderschutzgesetz, das eine Reihe von präventiven Maßnahmen gegen Kindesmisshandlung und -verwahrlosung vorsieht. Die Aufgaben müssen die Bezirke übernehmen, die mehrfach auf die schlechte Personalausstattung hingewiesen hatten. Daraufhin bewilligte der Senat 24 zusätzliche Stellen für den Kinderschutz, also zwei Stellen pro Bezirk. Bis Ende Juni dieses Jahres wurden aber erst vier Stellen eingerichtet und durch Außeneinstellungen besetzt. Dies geht aus einer Vorlage der Senatsfinanzverwaltung an den Hauptausschuss hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt.

In einigen Bezirken liefen Mitte des Jahres noch Ausschreibungs- und Auswahlverfahren, einzelne Stellen wurden inzwischen intern besetzt. „Die Bezirke müssen das zügig umsetzen, da die Stellen notwendig sind. Das ist der erklärte politische Wille“, sagte SPD-Jugendpolitikerin Sandra Scheeres. Grünen-Familienpolitikerin Elfi Jantzen weist auf die „komplizierten Verfahrenswege“ hin. Trotz der Zusage, Personal von außen einstellen zu dürfen, müssen die Bezirke auch erst beim Stellenpool nachfragen.

Und es gibt offenbar ein bezirksinternes Gerangel um die wenigen von der Senatsfinanzverwaltung genehmigten Außeneinstellungen. Das sind in diesem Jahr berlinweit insgesamt 155 Stellen für Fach- und 50 für Verwaltungspersonal. Die 24 Stellen für den Kinderschutz jedoch sind „zusätzliche Stellen“, wie die Senatsverwaltung mitteilt. Mit dieser Regelung scheinen die Bezirke unterschiedlich umzugehen: In Tempelhof-Schöneberg zum Beispiel gibt es in diesem Jahr insgesamt rund 16 Außenbesetzungen.

Gesundheitsstadträtin Sibyll Klotz (Grüne) hat eine Psychologin eingestellt, die Stelle einer Sozialarbeiterin ist unbesetzt. Friedrichshain-Kreuzberg zum Beispiel hat erst vor kurzem die Stelle der Kinderschutzkoordinatorin besetzen können. Jugendstadträtin Monika Herrmann (Grüne) sagte, der Bezirk habe ein gutes sozialpädagogisches Netz mit 60 Sozialarbeiterstellen. Die Mitarbeiter würden in Teams in fünf Regionen arbeiten. „Wir sind gut ausgestattet.“ Das Netzwerk Kinderschutz zwischen Jugend- und Gesundheitsamt, Schulen und freien Trägern funktioniere gut.

In Neukölln wurden die zwei Stellen im Jugend- und Gesundheitsbereich erst vor kurzem neu besetzt. Stadträtin Gabriele Vonnekold (Grüne) sagte, es sei „nicht einfach, Fachpersonal zu erhalten“. Acht Teams mit je acht Sozialarbeitern seien in Neukölln für etwa 60 000 Kinder und Jugendliche zuständig.

Die Schwierigkeit, gutes Fachpersonal zu erhalten, betonte auch Jugendamtsleiterin Ute von Pirani in Charlottenburg-Wilmersdorf. Das Besetzungsverfahren sei sehr aufwändig. Derzeit seien acht Vollzeitstellen nicht besetzt. Spandau wiederum gilt als Vorzeigebezirk. „Kinderschutz hat absolute Priorität“, sagte Gesundheitsstadtrat Martin Matz (SPD). Durch interne Personalverlagerung stockte der Bezirk die Sozialarbeiterstellen freiwillig von acht auf zehn auf. Gab es 2008 in Spandau nur bei 29,3 Prozent aller Erstgeburten Hausbesuche, waren es 2009 bereits 72,7 Prozent.

Hausbesuche sind ein Bestandteil des Frühwarnsystems gegen Kindesmisshandlung- und verwahrlosung. Und wer sein Kind nicht zu den Früherkennungsuntersuchungen ab der U4 bis zum zehnten Lebensjahr schickt, kann vom Kinder- und Jugendgesundheitsdienst Besuch bekommen. Auch die „Hotline Kinderschutz“ unter der Nummer 61 00 66 ist ein Baustein im Kinderschutzgesetz. Bis Ende August registrierte die Hotline in diesem Jahr 861 Meldungen, die 1273 Kinder betroffen haben. In 216 Fällen wurden die Jugendämter informiert, in 32 Fällen schalteten die Mitarbeiter den Kinder-und Jugendnotdienst sofort ein.

Der Beitrag erscheint in unserer Rubrik "Vor fünf Jahren"

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