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Berlin: Fahnder klagen über die Justiz Kripo kann Gentest zu selten nutzen

Wenig Ermittlungserfolge, weil Berlin kaum DNA-Proben an zentrale Datenbank liefert

In Berlin werden zu selten moderne Fahndungsmethoden eingesetzt – etwa die Analyse von genetischem Material. Das kritisieren Berliner Kriminalisten. Das Land hat bislang erst 7128 DNA-Spuren an die zentrale Straftäterdatenbank beim Bundeskriminalamt (BKA) geliefert – und hat deshalb kaum Treffer bei der Fahndung. Andere Bundesländer sind da viel weiter: Bayern zum Beispiel hat DNA-Daten von 60 000 Tätern an das BKA geliefert. Insgesamt sind derzeit 293764 solcher Spuren im Computer gespeichert.

Je mehr Daten beim BKA eingespeist sind, desto häufiger gibt es Treffer. Niedersachsen etwa konnte anhand seiner 28 000 digitalisierten DNA-Spuren 1637 Straftaten aufklären. In Berlin wurden seit Eröffnung der Datenbank damit erst 268 Fälle gelöst. Mit „Personalmangel“ begründete die Polizeipressestelle die niedrigen Zahlen. Besserung schien in Sicht: In diesem Jahr wurde die Zahl der DNA-Wissenschaftler auf acht verdoppelt – seither steigt die Zahl der Zulieferungsdaten rapide.

Doch nun bremst die Justiz die Polizei. Denn in Berlin muss jede Speichelprobe vom Richter genehmigt werden. Bayern zum Beispiel verzichte darauf, sagt Sigrid Herrmann, Leiterin des DNA-Labors der Polizei. Andere Länder stünden auf dem Standpunkt: je mehr desto besser. „In Berlin prüfen die Richter viel genauer“, sagt Herrmann. Fazit der Ermittler: Wird eine Speichelprobe abgelehnt, ist eine Ermittlungschance vertan. Für die BKA-Datei sollen auch alle in Berliner Haftanstalten einsitzenden Straftäter eine Probe abgeben. Bislang wurden aber nur die Mörder erfasst, jetzt sollen die Daten von Räubern und Vergewaltigern folgen.

„Wir warten sehnsüchtig auf Treffer“, sagt der Leiter der acht Berliner Mordkommissionen, André Rauhut. „Es gibt schließlich keinen Tatort ohne DNA-Spur.“ Während sich Fingerabdrücke durch Handschuhe leicht vermeiden lassen, kann ein Täter DNA-verwertbare Spuren nicht vermeiden. Die Technik ist mittlerweile so ausgereift, dass ein ausgefallenes Haar oder ein Hautschüppchen für eine Analyse reichen. Der leitende Beamte plädiert dafür, von allen Beschuldigten Speichelproben genauso selbstverständlich zu nehmen wie Fingerabdrücke. „Ich sehe da keinen Unterschied.“

Das Gesetz fordert, dass „Straftaten erheblicher Bedeutung“ vorliegen müssen, damit einem Täter eine Probe entnommen werden darf. Für Rauhut erfüllt auch ein Seriendieb diese „erhebliche Bedeutung“. „Hätten wir mehr Daten in der Kartei, könnten wir mehr Taten aufklären.“ Beinahe neidisch sehen die Kriminalisten nach England. Dort sind mehr als zwei Millionen Datensätze gespeichert, im Jahr 2002 wurden damit 21000 Verbrechen geklärt, darunter 300 Morde. Berlin kann von solchen Erfolgen nur träumen. Zwar wurden im Vorjahr zwei Morde per DNA-Abgleich geklärt, darunter der spektakuläre Doppelmord von Weißensee: In einer Villa war ein Ehepaar erschlagen worden - der Täter war ein Fremder. Doch der hatte schon einmal einen Menschen erschlagen. Seine DNA war im BKA-Register gespeichert. Ein verlorenes Haar überführte den inzwischen wegen Mordes verurteilten Oliver Alt.

In England wird diskutiert, die DNA sämtlicher Bürger zu speichern. Dies war kurzzeitig auch in Deutschland überlegt worden – nach dem Sexualmord an der zwölfjährigen Ulrike in Eberswalde. Doch einen Zwangs-DNA-Test für alle Männer wies das Justizministerium als verfassungswidrig zurück. Vor wenigen Tagen hat Bundesinnenminister Otto Schily erneut den Einsatz modernster Kriminaltechnik gefordert.

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