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Berlin: Fahndung mit SMS löste Mordfall

Trotzdem kritisieren Datenschützer und Opposition die Handy-Überwachung. Der Innensenator fragt zurück: Wollen Sie Täter- oder Opferschutz?

Die Praxis, eine verdeckte Kurznachricht auf das Handy eines gesuchten Straftäters oder Verdächtigen zu senden und dann über die Abfrage der Verbindungsdaten seinen Standort ausfindig zu machen, hat schon 99 Mal zum Erfolg geführt – auch im Fall Maurice W. Dass der 19jährige Marzahner kurz vor seiner Festnahme durch die Kripo die Nase von seiner zweitägigen Flucht voll hatte und sich über den Notruf 110 selbst stellte, ärgert die professionellen Fahnder vom Landeskriminalamt zwar, aber sie waren ihm durch die Lauschtechnik immer so nahe, dass sie nur kurz nach dem Streifenwagen an der Gudrunstraße in Lichtenberg eintrafen. Maurice W. wurde wegen Mordversuchs an seiner 18 Jahre alten Ex-Freundin gesucht, die er mit kochendem Wasser überschüttet und mit einem Messer niedergestochen hatte.

Erfolgreich ermittelte die Polizei mit dieser unsichtbaren Fährte auch bei der Ermordung der beiden Ukrainer Petro Pernay und Alexandre Protsiouk, dass sich beiden deutschen Mordverdächtigen am Tag der Tat bei Mirow (Mecklenburg-Vorpommern) aufgehalten hatten. Die Ermittler nutzen dabei alle Möglichkeiten. Technisch ist es kein Problem, denn die Mobilfunkbetreiber sind gesetzlich verpflichtet, der Polizei die Möglichkeit des Zugriffs auf die Daten zu bieten. Dass dabei auch auf wenige 100 Meter genau der Standort des Gesuchten geortet werden kann, ist für die Fahnder ein erfreulicher Nebenaspekt. Beim Betreiber des Handys wird nämlich nicht nur gespeichert, mit wem und wie lange jemand telefoniert, sondern auch, aus welcher Funkzelle im Netz. Und da das Telefon sich bei Fahrten quer durch Deutschland ständig in neue Funkzellen einloggt, ist sogar der Weg eines Reisenden nachzuvollziehen – selbst wenn er nicht telefoniert. Denn das Handy sucht sich selbstständig die nächstgelegene Funkzelle, meldet sich dort an und bleibt empfangs- und sendebereit.

Gelauscht werden darf nur bei bestimmten Straftaten. Welche das sind, steht im Paragrafen 100 a der Strafprozessordnung. Mord, Totschlag und Erpressung gehören dazu. Gesetzlich war die Polizei berechtigt, das Funktelefon des 19-jährigen Maurice W. „anzuzapfen“. Dennoch ist jetzt um diese Art der Telefonüberwachung Streit ausgebrochen. Der Berliner Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka und die Fraktionen von Grünen und FDP kritisierten die Praxis als rechtsstaatlich fragwürdig. Auch das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg bemängelte kürzlich in einem Gutachten, dass die Belauschten nicht immer und vollständig darüber informiert werden, so wie das Paragraf 101 Strafprozessordnung vorsieht. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) wies die Kritik zurück. „Sie müssen sich zwischen Täterschutz und Opferschutz entscheiden“, sagte Körting. Die Polizei müsse die technischen Möglichkeiten ausschöpfen, um Täter aufzuspüren und damit Straftaten zu verhindern. Rechtsstaatliche Bedenken würden missbräuchlich angeführt.

Am häufigsten hört die Polizei mit, wenn es um Organisierte Kriminalität und Rauschgifthandel geht. Die Richter, die dazu ihre Zustimmung geben müssen, prüfen die Anträge der Staatsanwalt offenbar nicht so genau, wie man sich das nach Gesetz erhofft. Länger als einen Tag ließen sich nur 30 Prozent der Richter Zeit, alle anderen gaben innerhalb von 24 Stunden ihre Zustimmung – ein Richter sagte sogar, er sei so überlastet, dass er sich für einen Abhörbeschluss 10 bis höchstens 30 Minuten Zeit lassen könne, heißt es in dem Max-Planck-Gutachten.weso

Weiteres im Internet unter:

http://kai.iks-jena.de/miniwahr/imsi.html ; http://www.telespiegel.de

html/uberwachung_von_handys.html

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