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In Berlin wurden im vergangenen Jahr mehr als 32 000 Räder gestohlen. Die Polizei konnte nur vier Prozent der Fälle aufklären.

© Doris Spiekermann-Klaas

Fahrrad-Diebstähle in Berlin: Die Spur der gestohlenen Räder führt nach Polen

In Berlin gestohlene Fahrräder landen immer öfter in Polen. Besonders betroffen ist die Luxusklasse. Ermittler sprechen von bandenmäßig organisierter Kriminalität. Doch ihre Fahndungen laufen ins Leere.

Wenn das Fahrrad weg ist, kann man bestenfalls auf ein Wiedersehen bei ebay hoffen. Anzeigen bei der Polizei enden in der Regel unter dem Aktendeckel "Verfahren eingestellt". Ehemalige Eigentümer höherwertiger Räder ab 1.000 Euro werden eher unter der Adresse allegro.pl fündig. Auf der polnischen Verkaufsplattform werden nach Einschätzung von Berliner Ermittlern regelmäßig geklaute Fahrräder aus der Hauptstadt angeboten. Viele davon unter derselben Verkäuferadresse, immer vor dem gleichen Hintergrund fotografiert. Das gute Stück kann der Halter dann für rund 1.500 Zloty, einem Bruchteil des Neupreises, zurückkaufen. Nur könnte das als Beihilfe zur Hehlerei gewertet werden.

Der Autoklau Richtung Osten ist seit den 90er Jahren ein bekanntes Phänomen, inzwischen werden auch zunehmend Fahrräder bandenmäßig gestohlen und im Nachbarland verkauft. Im August stoppte eine gemeinsame Streife der deutschen und polnischen Polizei einen Transporter mit geklauten Rädern im Wert von 18.000 Euro. In Cottbus läuft derzeit ein Gerichtsverfahren gegen neun Beschuldigte aus Polen, die 120 geklaute Fahrräder verschoben haben sollen. Vorausgegangen waren aufwendige grenzüberschreitende Ermittlungen.

Ermittlungsverfahren werden häufig eingestellt

In Berlin dagegen, so klagt der Polizeibeamte Stefan Kliesch, zuständig für "Hehlerei und Sachfahndung" und privat begeisterter Radfahrer, würde die Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren zu Raddiebstählen regelmäßig einstellen. Die Staatsanwaltschaft gab dazu bislang keine Stellungnahme ab. Dem Vernehmen nach soll sich Polizeipräsident Klaus Kandt inzwischen persönlich um die Sache kümmern, offiziell bestätigen wollte die Pressestelle der Polizei das allerdings nicht. Kliesch hat bislang 13 in Berlin gestohlene Luxusräder bei allegro.pl wiedergefunden. Doch Konsequenzen hatten seine Ermittlungen nicht.

Genau wie bei Autos werden teure Räder gerne in ihre Einzelteile zerlegt und dann gesondert verkauft. Das vereinfacht den Transport und erschwert die Identifizierung. Rudolf Körner vom Fahrradladen Velophil in Moabit kalkuliert mit durchschnittlich 100 Kunden pro Jahr, die ein gutes Fahrrad zum zweiten Mal kaufen, weil das erste trotz bester Schlösser aus dem Hinterhof verschwunden ist. Oder auch zum dritten oder vierten Mal, wenn es gut versichert war. Andere Klau-Opfer sieht er nie wieder, weil sie sich ein Billigrad aus dem Baumarkt besorgt haben. "Der wirtschaftliche Schaden ist erheblich", sagt Rudolf Körner. 2015 wurden in Berlin mehr als 32 000 Fahrräder gestohlen, ein neuer Höchststand. Nur 37 Fälle wurden statistisch als "bandenmäßiger Diebstahl" verbucht, die Polizei rechnet aber selbst mit einer deutlich höheren Zahl, wegen der "geringen Aufklärungsquote" von vier Prozent gebe es aber keine genauen Erkenntnisse. Weil viele Diebstähle gar nicht angezeigt werden, ist ohnehin mit einer hohen Dunkelziffer zu rechnen.

Oft sind spezialisierte Banden am Werk, die Räder gezielt auskundschaften

"Das sind spezialisierte Banden, die Räder gezielt auskundschaften", sagt Körner. Anschießend werden die Schlösser geknackt. "Die kriegen alle Schlösser auf." Zu Not reicht auch eine Flex. Oder etwas Recherche im Internet. Hier werden Vorführ-Videos und die nötige Hardware ganz offen angeboten. Das Set zum Öffnen von Abus-Schlössern kostet nur 20 Euro.

Der ADFC fordert die Berliner Politik auf, den Fahrradklau nicht länger als Bagatelldelikt abzutun und für sichere Abstellmöglichkeiten zu sorgen. "Der Ermittlungsdruck muss erhöht werden", sagt ADFC-Sprecher Nikolas Linck. An großen Bahnhöfen sollte es Radstationen geben. In Potsdam wurde vor einem Jahr ein überwachter Radparkplatz für 550 Räder eingerichtet. Pro Tag wird ein Euro fällig, solche Gebühren findet Linck völlig in Ordnung.

Im Volksbegehren Fahrrad wird eine feste Ermittlungsgruppe zum Fahrradklau gefordert. Ebenso sichere Parkplätze für Fahrräder. 100.000 Abstellplätze an Bahnhöfen sollten bis 2025 entstehen. Auch die Hersteller von Fahrradschlössern seien gefordert, neue Techniken einzusetzen, sagt Nikolas Linck.

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