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Tagesspiegel-Kolumnistin Dr. Elisabeth Binder.

© Tsp

Fallstricke des Alltags: Geld ist keine Frage der Ehre

Einmal in der Woche fragen Sie Elisabeth Binder, wie man mit komplizierten oder peinlichen Situationen so umgeht, dass es am Ende keine Verstimmungen gibt: So kann's gehen.

Demnächst wird einer meiner Freunde 80. Er würde gern groß feiern und möchte möglichst viele Lebensbegleiter einladen. Allerdings kann er die Kosten für ein großes Fest nicht aufbringen. Ich riet ihm, in die Einladung zu schreiben: „Bitte keine Geschenke, aber wenn ihr mir eine Freude machen wollt, so leistet einen Beitrag zu diesem Fest in die bereitstehende Sammelbox.“ Dieser Vorschlag stieß in seiner Familie auf heftige Kritik.

Jean, pragmatisch

Hoffentlich lässt sich Ihr Freund von seiner offenbar etwas rückständigen Familie von seinem Plan nicht abbringen. Ihre Idee ist doch gut und naheliegend. Es ist schon länger durchaus akzeptiert, bei Festen Sammelboxen aufzustellen. Manchmal wird für eine schöne Reise gesammelt. Wohlhabendere Gastgeber bringen auf diese Weise auch schon mal Geld für ein Wohltätigkeitsprojekt auf, das ihnen am Herzen liegt.

Auch Hochzeitspaare können sich nicht immer das Fest leisten, das sie gerne hätten, und sammeln dafür. In eng gestrickten Freundeskreisen übernimmt auch schon mal ein Freund die Sammlung. Bei Hochzeitspaaren immerhin würden Geschenke wie Hausrat noch Sinn machen. Im Alter von 80 Jahren besitzt man aber meist die Dinge, die man so braucht. Natürlich gibt es immer Luxusgaben, die Freude bereiten, ein sehr guter Rotwein oder ein spannendes Buch vielleicht. Aber Ihr Freund hat doch einen Herzenswunsch, der noch dazu zutiefst sinnvoll ist. Man weiß ja nicht, wie viel Zeit und Gelegenheit ihm noch bleibt, um bei guter Gesundheit alle Weggefährten zu einem großen Fest zusammenzutrommeln. Ich würde wetten, dass die Mehrzahl der Gäste sehr gerne einen Beitrag leisten würde zur Erfüllung dieses Wunsches. Mal abgesehen davon, dass die Jagd nach Geschenken vielen älteren Menschen auch keine Freude bereitet, weil sie mühsam sein kann. Oft weiß man ja wirklich nicht, was man schenken soll.

Teilzuhaben an einem Gemeinschaftsprojekt, das nicht nur dem Geburtstagskind Freude bereitet, sondern seinen Gästen auch, kann wirklich erhebend sein. Jeder einzelne Gast trägt dazu bei, dass der Jubilar die ihm zugedachten Geschenke seinen Freunden in dem Fest und den Erinnerungen, die es kreiert, weiterschenkt. Das ist doch ein wunderschöner Gedanke. Es ist wirklich zu hoffen, dass Ihr Freund sich gegen die muffigen Ehrvorstellungen seiner Familie durchsetzen kann. Wer Bares peinlich findet, braucht ja nicht zu kommen.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an: meinefrage@tagesspiegel.de

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