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Tagesspiegel-Kolumnistin Dr. Elisabeth Binder.

© Tsp

Fallstricke des Alltags: Wenn Bravos zur Qual werden

Einmal in der Woche fragen Sie Elisabeth Binder, wie man mit komplizierten oder peinlichen Situationen so umgeht, dass es am Ende keine Verstimmungen gibt: So kann's gehen.

Wir hatten uns so auf „Carmen“ gefreut. Aber schon im ersten Akt begann ein Nachbar plötzlich zu klatschen und rief dazu laut „Bravo“. Dies wiederholte sich im 2. und 3. Akt. Jedes Mal fand der Flegel Mitbegeisterte, und die Protagonisten auf der Bühne mussten ihren Gesang unterbrechen. Werden bald Menschen in der Oper aufspringen und mit Reis werfen?

Susanne, erschrocken

Vielleicht war der Nachbar ein bezahlter Claqeur, allerdings ist das unwahrscheinlich. Claqueure zu finanzieren, ist verschwendetes Geld. Die Sänger geraten aus dem Takt, das Publikum, aus seiner Verzauberung gerissen, ärgert sich. Glaubwürdige Kritiker sind ohnehin nicht durch Applaus zu beeinflussen. Zudem versicherte mir die Sprecherin der Deutschen Oper, dass es Claqueure definitiv nicht gibt.

Allerdings gibt es in manchen Aufführungen mehr Applaus, in anderen weniger. Das hängt durchaus nicht nur damit zusammen, wie gut die Aufführung den Leuten gefällt. Opernfans, die keine Aufführung verpassen, neigen eher zur Rücksichtnahme. Wer Opernbesuche auf ein- oder zweimal im Jahr beschränkt, läuft hingegen eher Gefahr, seiner Begeisterung ohne Rücksicht freien Lauf zu lassen. Manchmal können die Dirigenten dem Einhalt gebieten, indem sie einfach beherzt weiterspielen lassen. Aber manchmal ist das Tosen auch zu laut und stört Zuschauer, Sänger und Musiker. Unerfahrene Operngänger mit besonders extrovertiertem Temperament sind leicht versucht, ihren Mangel an Opernerfahrung durch exzessiven Jubel kaschieren zu wollen. Doch spätestens in der Pause könnten Sie mit solchen Zeitgenossen ins Gespräch kommen und ihnen erklären, wie störend ihr Verhalten ist und wie unmöglich es wirkt.

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