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Berlin: Falsche Polizisten gestehen Bordell-Überfälle

Angeklagte gaben sich als Zivilbeamte aus und bestahlen Prostituierte. Ein Auftrag vom Ministerium, sagt einer jetzt

Neunmal innerhalb von drei Wochen gaben sie sich als Zivilbeamte aus und statteten Bordellen „Kontrollbesuche“ ab. Mit Ausweisen, die grün wie die der echten Schutzpolizisten waren. Im schummrigen Licht der Etablissements in Spandau, Lichtenberg oder Prenzlauer Berg fiel der Schwindel nicht auf. Die vier angeblichen Rauschgiftfahnder im Alter zwischen 27 und 32 Jahren ließen laut Anklage insgesamt 4680 Euro und sieben Handys mitgehen. Seit gestern sitzt das Quartett vor einer Moabiter Strafkammer und ist sich nicht mehr so einig.

Plötzlich will der Chef der Truppe gar nicht aus Geldgier losgezogen sein. „Ich glaubte, ich hatte vom Innenministerium den Auftrag, Bordelle nach Drogen zu kontrollieren“, sagte der 32-jährige Heiko M. den Richtern. Er habe sich eingebildet, ein Mitarbeiter des Ministeriums säße in seinem Wohnzimmer und habe ihm die Aufgabe erteilt. Und weil er als einfacher Bürger da nicht weit gekommen wäre, habe er für sich und zwei weitere Angeklagte gefälschte Ausweise besorgt. Dass er unter einer Psychose leide, habe er seinen Kumpels aber nicht erzählt, meinte der gebürtige Rügener.

„Ist Herr M. geistig krank?“, fragte der Richter den Angeklagten Daniel W. Der schüttelte nur den Kopf, die Geschichte sei „Spinnerei“. Von einer psychischen Erkrankung habe er bei Heiko M. nie etwas bemerkt. Überrascht hat die Einlassung des Hauptangeklagten den 31-jährigen W. aber nicht. Bei einem eigentlich unerlaubten Gespräch in der Untersuchungshaft habe M. bereits anklingen lassen, wie er sich im Verfahren verhalten werde. „Ich mache auf Haftmacke, ist die beste Methode“, soll M. erklärt haben.

Die „Razzien" zu Beginn dieses Jahres liefen immer nach der selben Masche ab. Die falschen Beamten klopften erst, wenn kaum noch Kundschaft im Hause war. Einer ließ sich die Ausweise der meist thailändischen Prostituierten zeigen, zwei suchten angeblich nach Drogen. Tatsächlich steckten sie Geld und Handys ein. Daniel W. will mitgemacht haben, weil er arbeitslos war. Für seinen vier Jahre jüngeren Bruder, der auf dem Bau recht gut verdiente, war es die Hoffnung auf „schnelles Geld nebenher“. Die beiden mitangeklagten mutmaßlichen Ausweis-Fälscher schwiegen zu den Vorwürfen.

Kurz vor ihrem zehnten Coup gingen die falschen Polizisten den echten ins Netz. Sie kundschafteten gerade ein Bordell an der Bredowstraße in Tiergarten aus. Bei einer Kontrolle ihres Fahrzeugs wurden die nachgemachten Dienstausweise gefunden. In ersten Geständnissen kam die Sprache auch auf einen „Glücksgriff“, der ebenfalls Teil der Anklage ist: 70000 Euro hatten drei der Angeklagten im Juli 2002 einer Frau gestohlen, die nach einem Besuch im Spielkasino am Potsdamer Platz mit ihrem Gewinn nach Hause radeln wollte. Bis heute aber hat sich die Bestohlene nicht bei der Polizei gemeldet.

Kerstin Gehrke

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