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Vor dem Haus der Familie wurden Blumen und Kerzen abgelegt.

© dapd

Update

Familiendrama in Gatow: Rechtfertigung mit einem Abschiedsbrief

Der Gatower Familienvater, der seine Frau sowie seine beiden kleinen Kindern getötet hat, hat einen Abschiedsbrief an die Bild-Zeitung geschrieben. Darin begründet er seine grausame Tat mit „fürsorglicher Liebe“. In Justizkreisen kann man sich nicht an einen vergleichbaren Fall erinnern.

„Ich tat es allein aus ganz großer Liebe und Verzweiflung!“ So steht es im Abschiedsbrief des 69-jährigen Familienvaters, der in Gatow seine 28 Jahre alte Frau sowie seine beiden kleinen Kinder, die drei und sechs Jahre alten Söhne in der gemeinsamen Wohnung, umbrachte. Bevor er sich selber das Leben nahm, schickte er das Schreiben, mit dem er seine Taten rechtfertigte, an die Bild-Zeitung. Laut Polizei soll es mehrere Schreiben geben. In dem von der Zeitung veröffentlichten Brief schreibt er, „in voller Verantwortung und vollkommen klarem Bewusstsein“ gehandelt zu haben. Unter anderem führt der Wirtschaftsberater an, dass seine Frau mit den Kindern überfordert gewesen sei. „Nur ich kann nicht Hausmann spielen und gleichzeitig mit 200 Prozent, die notwendig wären, um etwas weiter wieder neu aufzubauen, da sein“, heißt es weiter. Den Ermittlungen zufolge hatte die Familie starke finanzielle Probleme.

Bildergalerie: Das Familiendrama in Gatow

In Justizkreisen kann man sich nicht daran erinnern, dass in einem derartigen Fall ein Abschiedsbrief direkt an eine Zeitung geschickt wurde. „Aber aus seiner Sicht macht das durchaus Sinn“, sagt ein Experte. So könne der Täter noch darauf Einfluss nehmen, was über ihn geschrieben wird. Er habe nicht nur den Tod seiner Familie klar geplant, sondern zudem die öffentliche Wahrnehmung steuern wollen. Von einer „hochgradig narzisstischen Vorgehensweise“ spricht Isabella Heuser, die Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Charité. Sie hat ebenfalls noch nie erlebt, dass jemand einen Abschiedsbrief an die größte deutsche Boulevardzeitung Deutschlands schickt. Ihrer Auffassung nach spricht das für eine genau kalkulierte Inszenierung. Der Mann habe bekannt werden wollen. „Er wollte die Bühne dieses Lebens mit einem großen Knall verlassen“, sagte Heuser.

Wie die Expertin weiter sagte, liegt bei narzisstischen Menschen oft ein schwach ausgeprägtes Selbstwertgefühl zugrunde. Wie auch in diesem Fall suchten sich Männer beispielsweise häufig jüngere Partnerinnen, die von ihnen abhängig sind. Es gehe den Männern oft darum, auch ihre Allmachtsfantasien auszuleben. Heuser vermutet zudem, dass es bereits vorher in der Beziehung des Paares Spannungen gegeben hat.

Unterdessen dauern die Ermittlungen der Todesursache an. Noch ist nicht geklärt, ob die Frau sowie die beiden Söhne erstickt oder vergiftet wurden oder an einer Kombination von beidem starben. Der Mann selber soll sich mithilfe einer Plastiktüte erstickt haben. Nur das jüngste Kind, eine zwölf Monate alte Tochter, ließ er am Leben. Sie legte er, wie berichtet, in der Babyklappe des Waldkrankenhauses Spandau ab. In seinem Brief schrieb er dazu: Er habe sie in die Babyklappe gebracht, „weil sie die Chance haben sollte, unter liebevollen Ersatzeltern vielleicht doch eine unbelastete Zukunft haben zu können“. Bei seinen beiden Söhnen konnte er sich das nicht mehr vorstellen. Ein Weiterleben ohne die Mutter hätte „für sie eine unkalkulierbare Zukunftsbelastung ergeben“. Deswegen mussten die Jungen sterben.

Das Spandauer Jugendamt prüft jetzt, ob das kleine Mädchen zu seinen Großeltern mütterlicherseits oder in eine Pflegefamilie kommt. In dieser Frage sei noch nichts entschieden. Die Eltern der Mutter sind inzwischen aus Süddeutschland nach Berlin gekommen. Derzeit ist das Kleinkind in einem Kinderheim untergebracht.

Video: Kleinkind überlebt Familiendrama

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