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Berlin: Familiendrama: Zugestochen aus verletzter Ehre

Noch immer liegt die rechte Hand der jungen Frau in einer Schiene. Die Verletzung erlitt sie vor einem halben Jahr in einem Kampf auf Leben und Tod.

Noch immer liegt die rechte Hand der jungen Frau in einer Schiene. Die Verletzung erlitt sie vor einem halben Jahr in einem Kampf auf Leben und Tod. Die 18-jährige Güler wollte ihrem Vater helfen, wollte ihren rasenden Ehemann wegschubsen. Doch sie war machtlos. Immer wieder soll Ali N. auf seinen Schwiegervater, auf seine Frau, auf seine Schwiegermutter eingestochen haben. Seit gestern muss sich der 23-jährige türkische Student wegen Mordes an seinem Schwiegervater, versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung vor dem Berliner Landgericht verantworten.

Zum Thema Newsticker: Aktuelle Meldungen aus Berlin und Brandenburg Ali N. soll aus verletzter Ehre zugestochen haben. Er soll es nicht ertragen haben, dass seine Frau zu ihren Eltern zurückgegangen war und ihnen sehr intime Dinge aus ihrer Ehe anvertraut hatte. Am 27. März war er zur Wohnung seiner Schwiegereltern in der Schleiermacherstraße in Kreuzberg gegangen. Gülers Vater aber wies ihn zurück. "Meine Tochter bleibt hier", soll er erklärt haben. Laut Anklage zog Ali N. unvermittelt ein unter der Kleidung verstecktes Messer und stach auf den 57-jährigen Ibrahim I. ein. Insgesamt 16 Mal - bis die Klinge abbrach. Gülers Mutter verletzte er lebensgefährlich durch Stiche in den Oberkörper.

Vor allem diese Mitteilung über sein Sexualleben soll den Angeklagten zutiefst beleidigt haben. Dabei hatte die Beziehung zwischen Ali und Güler N. eigentlich sehr romantisch begonnen. Bei einem Fest in der Heimat lernte die in Deutschland aufgewachsene junge Frau den türkischen Studenten kennen. Verliebt soll er der Berlinerin hinterher telefoniert haben. Im September vergangenen Jahres heirateten sie. Ali N. kam nach Berlin und lernte Deutsch. Doch weder die Hochzeitsnacht noch die Nächte danach sollen den Vorstellungen der jungen Frau von Ehe entsprochen haben. Nach Angaben von Prozessbeteiligten vertraute sie schließlich ihren Eltern an, dass ihr Ehemann nicht bereit sei, mit ihr zu schlafen.

Was Ali N. dazu und zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft sagte, hörten die Richter gestern hinter verschlossenen Türen. Weil die Trennung des jungen Paares sehr intime Hintergründe habe und die Intimsphäre des Angeklagten zu schützen sei, schloss das Gericht auf Antrag der Verteidigung die Öffentlichkeit während der Aussage des Studenten aus. Seine Ehefrau, die wie ihre Mutter Nebenklägerin im Prozess ist, soll zu einem späteren Zeitpunkt als Zeugin befragt werden. Nach bisherigen Planungen des Gerichts soll es Ende Oktober zum Urteil kommen.

Kerstin Gehrke

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