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Berlin: Fanbetreuung hautnah

Zur WM öffnet das erste Berliner Großbordell – und ein Bezirksamt will 100 000 Kondome verteilen

Sex vor dem Spiel? Berti Vogts blieb in dieser Frage unentschlossen: „Das können meine Jungs halten, wie sie wollen. Nur in der Halbzeit – da geht nichts." Der Ex-Bundesberti meinte natürlich die Spieler. Was ist aber mit den Fans?

Die Berliner Hurenorganisation „Hydra" rechnet während der Fußballweltmeisterschaft im nächsten Jahr mit „guten Geschäften" und schon im September eröffnet laut Bild-Zeitung an der Halenseestraße in Charlottenburg das erste „WM-Bordell" der Stadt, ein Fünf-Millionen-Euro-Bau mit 60 Zimmern auf vier Etagen für Sexdienstleistungen der Spitzenklasse. Der Edel-Puff ist sogar behindertengerecht. Nur einen Haken hat das stadionnahe Angebot aus Sicht der Fans: Es wird kein Alkohol ausgeschenkt.

Bauherr des ersten Berliner Großbordells ist ein Unternehmer aus Würzburg, der anonym bleiben möchte. Für ihn spricht Norman Jacob, Diplom-Psychologe und Rechtsanwalt. Jacob sagt, es handele sich bei dem Etablissment eigentlich um einen „FKK-Wellness-Club". Der Betreiber stelle das Haus zur Verfügung und kassiere von jedem Besucher – ob Freier oder Prostituierte – ein Eintrittsgeld von unter 100 Euro. Dafür gäbe es Getränke, Wellness-Angebote, ein Zimmer und leihweise einen Bademantel. Aber eben keinen Alkohol. „Der macht Männer aggressiv und Frauen hysterisch", sagt Jacob.

Die Dienstleistungen würden unter den Gästen frei verhandelt. Man könne zwar davon ausgehen, dass in den 60 Zimmern Sex praktiziert werde, aber die Besucher dürften auch ungezwungen saunen, whirlpoolen und plaudern. „Auto-Freier vom Straßenstrich gehören nicht zu unserer Zielgruppe." Und Fußballfans? „Der eine oder andere Fußballfan wird seinen Spaß haben . . ." – aber nein, wegen der WM sei man nicht nach Berlin gekommen.

In den Berliner Verwaltungen ist das Thema „Sex vor dem Spiel" weitgehend tabuisiert – Ausnahme: Charlottenburg-Wilmersdorf. Das Bezirksamt will 100 000 Kondome an die Fans am Olympiastadion verteilen. Dazu gibt es einen „Knigge für Prostitutionskunden" mit Tipps zur sexuellen Hygiene. „Die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen im Umfeld von großen Sportveranstaltungen steigt enorm", sagt Wiltrud Schenk vom bezirklichen Gesundheitsamt. Beim DFB-Pokalendspiel habe man sehr gute Erfahrungen mit einer ähnlichen Aktion gemacht. Sponsoren für die WM-Kondome seien schon gefunden.

Im Bezirk Mitte flackerte kurzzeitig eine Diskussion auf, an der Straße des 17. Juni sogenannte „Verrichtungsboxen" aufzustellen, damit der Tiergarten nicht für Liebesakte im Freien herhalten muss. Das sei aber „kein Thema" mehr, erklärt Wirtschaftsstadtrat Dirk Lamprecht recht einsilbig. Unter Verrichtungsboxen muss man sich einen längeren Schuppen vorstellen, der in einzelne Kammern unterteilt ist, die jeweils einem Auto Platz bieten. „Verrichtet“ wird nämlich im Auto. In der WM-Stadt Köln hat man solche Boxen nach dem Vorbild von Utrecht aufgestellt und ist nun sehr davon angetan. „Das sollte aber nur die Straßenprostitution beseitigen", erklärt Robert Kilp vom Ordnungsamt Köln. An die WM habe man da gar nicht gedacht.

In der WM-Stadt München ist man durch Presseveröffentlichungen auf dieses delikate Thema gestoßen. „Da hat sogar die Los Angeles Times schon drüber geschrieben", berichtet WM-Koordinatorin Henriette Wägerle. Sie wolle in den nächsten Wochen diesbezüglich Gespräche führen. Konkrete Vorschläge gebe es aber noch nicht. Viele, so scheint es, wollen das Thema „Sex vor dem Spiel" einfach nicht wahrhaben. „Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht", sagt Donato Melillo, Fanbetreuer bei Hertha-BSC. Auch die Fifa schweigt beharrlich.

So müssen die Fans am Ende also selbst entscheiden, was vor dem Spiel unbedingt noch „verrichtet“ werden sollte. Und vor allem wo.

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