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Fanmeile: Unkontrolliert kam niemand durch - vor fünf Jahren

Vor fünf Jahren war der Tiergarten wegen der Fanmeile bis zum Ende der Fußball-WM gesperrt. Während der Öffnungszeiten warteten Sicherheitsleute an sieben Zugängen. Verärgert waren Anwohner, aber auch viele Radfahrer und Fußgänger. Was Christoph Spangenberg darüber schrieb.

Kein Gefängnis ist so schön wie der Tiergarten in diesen Tagen. Christoph und Ingeborg Schaaf sind zwei der unfreiwilligen Insassen, zusammen mit acht anderen leben sie auf dem Gelände des Wirtschaftshofes. Die Gefängnismauer bilden mehrere Kilometer Bauzaun, die sie bis zum Ende der Fußballweltmeisterschaft vom Rest Berlins trennen. Bis Mittwochmittag um 12 Uhr bleibt der Park wegen den Aufbauarbeiten der Fanmeile zwischen Tiergartenstraße, Hofjägerallee, John-Foster-Dulles-Allee und dem Weg vom Russischem Ehrenmal zur Lennéstraße durchgehend gesperrt, dann öffnet er an sieben Eingängen täglich von 12 bis 24 Uhr.

Außerhalb der Öffnungszeiten kommen die Schaafs an den Sicherheitsleuten nur mit einer kleinen Plastikkarte vorbei, die sie als Anwohner ausweist. Am Sonntag hatte der 70-jährige Schaaf die Karte noch nicht und musste verhandeln, um nach dem Brötchenholen wieder nach Hause zu dürfen. Ärgerlicher war es vor vier Jahren während der WM, als der Park auch eingezäunt war. Ingeborg Schaaf war krank und musste zum Arzt, doch die Sicherheitsposten wollten sie nicht rauslassen, weil die Fanmeile offiziell noch nicht geöffnet war. Erst die herbeigerufene Polizei konnte helfen. „Da waren wir ziemlich verärgert“, sagt Christoph Schaaf.

Verärgert sind auch die zahlreichen Radfahrer und Spaziergänger, die von Zäunen und Sicherheitskräften am Betreten des Parks gehindert werden. „Das nervt, jetzt bin ich noch später dran“, sagt Radfahrerin Nina, die den Weg zum Bundestag quer durch den Park abkürzen wollte. Ein aufgebrachter Radler schimpft an der Ecke Yitzhak-Rabin-Straße/Tiergartenstraße: „Jetzt brauche ich zum Hauptbahnhof zehn Minuten länger.“ Am Sowjetischen Ehrenmal streitet ein Ehepaar aus Darmstadt, in welcher Richtung sie dem Zaun folgen müssen, um zum Kurfürstendamm zu kommen. „Fußball hin oder her, die Absperrung ist übertrieben.“

Auch wer gar nicht auf die Fanmeile will, darf ab Mittwoch weder Glas, Messer noch andere harte Gegenstände mit in den gesperrten Bereich nehmen. In den Picknickkorb dürfen nur Plastikflaschen und Tetra-Paks bis zu einem Liter Größe. Ob auch Federballschläger gefährlich sind, ist nicht klar geregelt, sagt Jürgen Götte vom Grünflächenamt Mitte. Den Zorn der Radfahrer und Spaziergänger bekommen die Ordner ab. „Die Leute sind schwer genervt und beleidigen uns übel“, erzählt Jan Klusacek. Im Minutentakt muss er sie umleiten.

Die Sperrung habe auch ihr Gutes, sagt Schaaf, der als ehemaliger Leiter des Grünflächenamtes seit 1966 im Tiergarten wohnt. „Jetzt haben Tiere und Natur drei Wochen nachts Ruhe und können aufatmen.“ Ein bisschen unwohl ist ihm schon beim Gedanken, dass Scharen angetrunkener Fußballfans vor seiner Haustür feiern. Obwohl die Festmeile so nahe ist: Fußballfans sind die Schaafs nicht. Nachts, wenn die letzten Fans dann wieder auf der anderen Seite des Zauns sind, werden sie die Ruhe in ihrem grünen Teilzeitgefängnis genießen. Christoph Spangenberg

Der Beitrag erscheint in unserer Rubrik "Vor fünf Jahren".

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