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Berlin: Fast geschenkt

Noch elf Tage bis Heiligabend. Wer keine Zeit für den Weihnachtseinkauf hat, kann Gutscheine unter den Baum legen Aber Vorsicht vor Fehlgriffen – fünf Autoren erzählen ihre Leidensgeschichte

Der geschenkte Gaul. Was mich dieser Gutschein am Ende kosten wird, darf ich gar nicht hochrechnen, sonst breche ich in Tränen aus. Ich muss da jetzt nämlich regelmäßig hin, mindestens zweimal die Woche, weil es noch lange nicht perfekt ist, Anschaffungen sind nötig geworden: eng gewebte Hosen und Stulpen für die Waden, und die Rede ist nicht von einem missglückten Oberschenkellifting, dessen unebenes Ergebnis zu korrigieren ist. Die Rede ist von einem Gutschein für eine Reitstunde. Das Geschenk kam von Freundin C., verpackt in eine Tüte mit Würfelzucker. Zuvor hatte ich ihr (absichtslos) etwas von Ferien auf dem Ponyhof erzählt und angefügt: „Dazu hätte ich auch mal Lust.“ Dann Stichtag 24. August: Mein Pferd hieß Hanna und war weißgrau. Ich sollte es bürsten und fürchtete mich sehr, es könnte mich beißen oder treten. Niedliche Pferdemädchen halfen mir schließlich, montierten auch Sattel und Zaumzeug, und dann nahm ich oben auf dem Tier Platz. Wir ritten in der Halle, an der Wand lang, links rum, rechts rum, im Schritt, im Trab und drei Hopser im Galopp. Nach Hause ging ich o-beinig, schwankend. Am nächsten Tag hatte ich Schmerzen. Aber fest stand: Das muss wiederholt werden. Auch auf eigene Kosten.

Wink mit dem Gutschein. Im Nachhinein bin ich meiner Freundin für diesen Gutschein dankbar, auch wenn sich mir seine Intention im Moment des Beschenktwerdens nicht erschloss. Er war unscheinbar in Alufolie eingewickelt und nicht mehr als ein kleiner, handgeschriebener Zettel, auf dessen rechter unterer Ecke der Stempel eines Cafés prangte. „Damit kannst du mit deinem Freund mal total nett frühstücken gehen“, sagte A. und blickte mich lächelnd an. Der Wert des Gutscheins: 15 Euro. Ich versuchte, ein erfreutes Danke über meine Lippen zu bringen. Das belegte Baguette und den Milchkaffee, den man in dem hippen Mitte-Treff dafür bekam, machten gerade mal eine Person satt. Und dass ich mich kurz nach diesem Frühstück von meinem Freund trennte, hatte nichts damit zu tun, dass ich an jenem trüben Sonntagmorgen seinen Obstsalat mit Joghurt und Cappuccino bezahlen musste, wirklich nicht. Dadurch wurde mir nur einmal mehr bewusst, dass dieser Mann nicht zu mir passte. Vorausschauend und besorgt, wie A. um mein persönliches Glück ist, hatte sie das natürlich schon viel eher erkannt. Nana Heymann

Nicht dabei sein ist alles. Bei manchen Leuten beginnt der Ärger um die Geschenke am Heiligabend, bei anderen beim Geschenkkauf – und bei mir mit der Geschenkkaufsvorbereitung. Auf die etwa am Nikolaustag gestellte Frage nach ihren Weihnachtswünschen antwortete meine Mutter ernst: „dass du den Gutschein von meinem Geburtstag einlöst“. Ihr Geburtstag war Anfang Juli, und der Gutschein sollte sie und ihren Sohn ins Oderland führen, zu einer Vorstellung in einem kleinen Theater. Ich hielt das für ein gutes Geschenk, weil ich davon ebenso profitieren würde wie sie und weil ich ohnehin lieber zu Hause Gutscheine schreibe, statt in irgendwelchen lärmenden Läden zu „stöbern“. Stöbern ist etwas für Hunde oder für Trüffelschweine, fand ich bisher, aber angesichts meiner aktuellen Misere erscheint die Sache in anderem Licht: Wer vorher stöbert, hat den Ärger zum Stichtag hinter sich. Gutscheinverschenker sollten also bedenken, ob sie sich unbedingt an der späteren Organisation des Geschenks beteiligen oder gar selbst Nutznießer sein wollen. Die besten Gutscheine sind wohl die, mit denen man im Nachhinein nichts mehr zu tun hat. Stefan Jacobs

Schenken macht Schadenfreude. Wer seinen Mitmenschen nicht leiden kann, schenkt ihm einen Kaktus. Wer ihn nicht leiden kann und außerdem faul ist, schenkt einen Gutschein für einen Kaktus. Aber wie viel Hass steckt wohl in einem Menschen, der Gutscheine für Dieter-Bohlen-Konzerte verschenkt? Mir ist das widerfahren, mein Kumpel Kristian war der Täter. Wohlgemerkt geht es hier nicht um einen Auftritt von „Modern Talking“, da hielt sich Bohlen ja zumindest mit dem Singen zurück. Nein, ich spreche von dem zu Recht längst vergessenen Bohlen-Seitenprojekt „Blue System“. Das Konzert war 1990 und ich 13 und anschließend traumatisiert. Doch es hat unserer Freundschaft nicht geschadet, denn wie ich dort stand, zwischen all den anderen mutmaßlichen Gutscheinopfern, und Dieter seinen damals großen Hit „My bed is too big“ sang, da ahnte ich bereits, dass es noch schlimmer geht. Seitdem liefere ich mir mit Kristian einen Wettstreit, wer die sinnloseren und hässlicheren Geschenke macht. Das schweißt zusammen. Dieses Weihnachtsfest hole ich zum finalen Schlag aus. Und da sich Kristian gerade in London aufhält, kann ich mein Geschenk an dieser Stelle verraten: Die „Dornenvögel“ auf DVD im Directors Cut. Das überlebt der Gute nicht. Sebastian Leber

Der schöne Schein. Vor ein paar Tagen habe ich ein Adventspaket von meiner Mutter bekommen. Zwischen Schokoladentafeln und Wattepads lag ein kleines Geschenk: viereckig, platt, so groß wie eine Visitenkarte. Auf das Einwickelpapier stand „Gutschein für...“ geschrieben. Und innen drin ein Magnet mit dem Foto zweier Männer , die in einer Altbauwohnung auf dem Holzboden hockten. Ihre Oberkörper waren nackt. Ich war mir nicht sicher, was das bedeuten sollte.

Dazu muss man wissen: Die Gutscheine meiner Mutter sind immer verschlüsselt. Niemals kann man mit ihnen in ein Geschäft gehen und etwas dafür eintauschen. Neulich etwa bekam ich eine Postkarte mit einer Pariser Straßencafé-Szene geschickt. Hinten drauf stand etwas von Cappuccino trinken und Seele baumeln und Flanieren. Das war ein Gutschein für einen Friseurbesuch. Nun der Magnet: keine Notiz, kein Hinweis, bloß nackte Kerle. Wollte mir meine Mutter zwei starke Männer schenken? Ich finde, das geht irgendwie zu weit. Ich rief an, bedankte mich scheinheilig. „Bitte schön“, sagte sie. „Wird aber auch Zeit, dass diese furchtbaren Dielen endlich mal abgezogen werden, besonders in der Küche ist das richtig unappetitlich.“ Ich mag meine Dielen so, wie sie sind. Die beiden Männer aber auch. Der Gutschein klebt jetzt am Kühlschrank. Johanna Lühr

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