zum Hauptinhalt

Berlin: Feier-Wochenende der Superlative: Unter der Laterne: Patricia Kaas beim DaimlerChrysler-Fest am Potsdamer Platz

"Ich wusste gar nicht, dass die so fetzig sein kann." Der Mann war auf das Absperrgitter geklettert, damit er durch einen Schlitz im Technikzelt auf die Bühne gucken konnte.

"Ich wusste gar nicht, dass die so fetzig sein kann." Der Mann war auf das Absperrgitter geklettert, damit er durch einen Schlitz im Technikzelt auf die Bühne gucken konnte. Er roch nach Seife - für Mademoiselle frisch geduscht. Patricia Kaas, hochgeschlossen in Leder, schwang jetzt einen Taktstock, dirigierte in der Luft, und die drei langhaarigen Violonistinnen neben ihr strichen hingebungsvoll ihre Bögen. Trockeneisnebel, bunte Scheinwerfer - eine klassische Pop-Bühne, wären da nicht diese ganzen Teppiche, die einen Basar vermuten ließen. Aber die Kaas hatte Besseres zu tun, als ihre Teppiche zu verhökern: Sie hauchte ins Mikrofon, kokettierte dabei in ihrem französisch klingenden Deutsch mit dem Publikum, das ja gekommen war, um sich von ihrem Charme einwickeln zu lassen.

Nicht alle der Besucher konnten etwas sehen. Mehr Körperkontakt, als einem lieb war, hatten die meisten. Kaas hatte schon die ersten Lieder gesungen, da waren in den Arkaden noch immer nicht die Geschäftskassen geschlossen. Der Asiate in den Arkaden briet seine Nudeln noch schneller als sonst, vor dem Eisgeschäft wartete eine 25 Meter lange Schlange, der Bagels-Laden verkaufte laut Karte "Weisheit, die man essen kann". Dafür war er nicht halb so voll wie die erste Etage einer bekannten Hamburgerbraterei, die zwar weitgehend schalldicht war, von wo man aber einen Blick auf die Bühne erhaschen konnte.

Patricia Kaas hat die Melancholie jetzt gegen wilden Pop eingetauscht, etwas Techno daruntergemischt, dann wieder Trommeln. Die enge Lederjacke ist einem Spaghettiträgertop gewichen, und inzwischen hüpft sie im Rock und barfuß wie ein kleiner Derwisch über ihre Teppiche. Man beginnt zu begreifen, warum sie gelegentlich auch schon mal als "Mehrzweckdiseuse" bezeichnet wurde. Klingt aber alles tre¡s chic, und die Menschen sind begeistert. Auch die, die vorher gar nicht wussten, wer Patricia Kaas ist. Die mit ihren Würsten und Käsetellern in der Hand von ihr überrascht wurden. Und die bei den großzügigen Zugaben merken, dass sie auch von dem Mädchen unter der Laterne, vor dem großen Tor, der Lili Marleen singen kann. "Mademoiselle chante le blues" darf nicht fehlen. Die Sängerin trägt inzwischen einen roten Rock und sammelt die Reste eines Liedes über "Das Kind Nummer zehn, das ist mein Problem" zusammen. Sie kann deutsch singen, sie kann französisch singen, die Leute jubeln. Manchmal hört man Französisch in der Menge und denkt, da arbeitet ein Landsmann gegen sein Heimweh an.

Doch Berlin ist nicht Paris und wird es nie sein, das weiß auch Patricias Friseur Benjamin Benayad. Der ist aus Toulouse, schneidet, legt, fönt seit ein paar Jahren in Berlin und eröffnet im Oktober einen Laden in der Friedrichstraße. Die Kaas kam schon mit einem guten Schnitt an, da brauchte er am Abend nicht mehr viel zu machen. Benayad steht jetzt im Hyatt auf der kleinen Party nach dem Konzert und wartet wie alle auf die Sängerin. Da gibt es Cocktails und Käse-Häppchen, als könnten die für die richtige Kaas entschädigen. Die nimmt sich viel Zeit zum Duschen, gibt dann drei Autogramme und verschwindet wieder. Aber sie ist ja heute schon genug gehüpft.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false