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Wie im Film. Viel los war im Tacheles bis zur Schießung im September immer. Die Zukunft des Tacheles ist unklar.

© promo/Dreamworks

Filmdreh in Kaufhausruine: Tanz im Tacheles

Daniel Brühl feiert in der Kaufhausruine Tacheles – aber nur vor der Kamera. Denn das Haus ist eigentlich baulich gesperrt. Einige der Künstler, die früher die Ruine besetzten, empören sich nun über den Filmdreh.

Als wäre nie etwas passiert. Keine Zwangsräumung, kein jahrelanger Streit. Scharen Feierwütiger vergnügten sich am Mittwoch- und Donnerstagabend zu lauter Musik und bunten Lichtern im Kunsthaus Tacheles, der zerfallenen Kaufhausruine in der Oranienstraße in Mitte. Dabei wurde diese bekanntlich im September geräumt. Auch Schauspieler Daniel Brühl („Inglourious Basterds“) war gekommen, er wohnt nur ein paar Straßenbahnstationen weiter in Prenzlauer Berg. Doch der Spaß war rein beruflich, in den gedrehten Joints befand sich nur Tabak. Brühl stand dort für den Kinofilm „The Fifth Estate“ über die Enthüllungsplattform Wikileaks von Julian Assange vor der Kamera, Regie führte Twilight-Regisseur Bill Condon.

Brühl spielt in der Dreamworks-Produktion den deutschen Informatiker Daniel Domscheit-Berg, der eines der Gesichter von Wikileaks war und die Plattform 2010 nach einem Streit verließ. Danach veröffentlichte er das Buch „Inside Wikileaks“, auf dem der Film nun aufbaut. Wikileaks-Gründer Assange kritisierte das Filmvorhaben als „Propagandaangriff gegen Wikileaks“. Domscheit-Berg lernte Assange – im Film gespielt von Benedict Cumberbatch („Der Hobbit“, „Sherlock“) – im Jahr 2007 bei einem Hacker-Kongress in Berlin kennen. Danach trafen sich die Computerspezialisten offenbar auch im Tacheles.

Am Freitagmorgen ist von den Filmarbeiten wenig zu sehen. Kabeltrommeln liegen im Schnee, ein Beleuchtungsmast wird abgebaut, auf der Freifläche hinter der Ruine warten Lastwagen. „Etwa 70 Statisten haben mitgespielt“, erzählt einer, der dabei war. Eine andere kommt regelrecht ins Schwärmen: „Es war wieder die Ostalgie von damals.“ Der Club wurde im Café Zapata aufgebaut, auch im Treppenhaus arbeiteten die Kamerateams. Nun zieht der Filmtross weiter ins Berliner Congress Centrum am Alexanderplatz, wo Julian Assange 2009 neue Pläne von Wikileaks vorgestellt hatte. Gefilmt wird auch vor Dom und Reichstag.

Einen Termin für die Zwangsversteigerung gibt es derzeit nicht

Nun drehte Daniel Brühl (r.) mit Benedict Cumberbatch in der Kaufhausruine für den Wikileaks-Film „The Fifth Estate“.
Nun drehte Daniel Brühl (r.) mit Benedict Cumberbatch in der Kaufhausruine für den Wikileaks-Film „The Fifth Estate“.

© Doris Spiekermann-Klaas

Die Künstler, die das Haus 1990 besetzt hatten und im September gehen mussten, kündigten prompt eine Klage gegen die Zwangsverwalter des Areals an, wie Sprecher Martin Reiter sagte. Die hätten den Filmdreh erlaubt, obwohl der Bezirk die Nutzung des Gebäudes wegen Bau- und Brandschutzmängeln untersagt habe. Die Zwangsvollstrecker der Kanzlei Schwemer, Titz und Tötter wollten sich dazu ebenso nicht äußern wie zu möglichen Kaufinteressenten für das Grundstück oder mögliche weitere Vermietungen. Einen Termin für die Zwangsversteigerung gibt es laut Justizsprechern nicht. Im Frühjahr 2011 war eine Versteigerung kurzfristig abgesagt worden.

Unterdessen wurde versucht, die wenigen auf der Freifläche hinter dem Haus verbliebenen Künstler des Vereins Pro Art Tacheles mit 100 000 Euro vom Gelände zu kaufen. „Wir haben abgelehnt“, sagt Künstlerin Emilie Gotmann. „Wir wollen dort bleiben und die Vision des Tacheles aufrecht erhalten, gerne auch an anderen Orten der Stadt.“ Der Fall liegt vor Gericht, der nächste Termin ist Anfang Februar. Das Angebot kam laut Gotmann vom Berliner Anwalt Michael Schultz. Der hatte bereits in den Jahren zuvor einige Tacheles-Nutzer herausgekauft, um das Grundstück für Investoren attraktiver zu machen. 2011 bezifferte das Amtsgericht Mitte den Verkehrswert der 25 000 Quadratmeter in bester Innenstadtlage mit 35 Millionen Euro.

Die meisten der vertrieben Künstler hätten mittlerweile neue Ateliers gefunden, sagt Martin Reiter. Metallkünstler Kemal Cantürk öffnete in einem ehemaligen Supermarkt in Treptow das neue Kunstzentrum Treptopolis. Reiters neues Büro befindet sich in der Potsdamer Villa eines Tacheles-Unterstützers. Dort schreibt er an einem Buch über die einstige Touristenattraktion. Rund 400 Kunstwerke und zahlreiche Flyer und Plakate aus den vergangenen 22 Jahren lagern im Keller. Ein neues Tacheles möchte Reiter nicht gründen.

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