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Verteilungskämpfe. Wer mitspielen will, muss zugreifen. Das gilt auch für die Kitabetriebe, die gerne längere Betreuungszeiten abrechnen, als tatsächlich anfallen.

© ddp

Finanzsenator im Interview: Bedarf von Vollzeitgutscheinen für Kitas soll stärker kontrolliert werden

Finanzsenator Ulrich Nußbaum verteidigt im Tagesspiegel-Interview seine Pläne, die Betreuungszeiten in Kitas zu überprüfen. Dahinter steckt die Vermutung, Kitas könnten Vollzeitgutscheine abrechnen, obwohl die Kinder gar nicht ganztags kommen.

Sie fordern mehr Kontrolle bei den Betreuungszeiten der Kindertagesstätten. Überprüft werden soll vor allem, ob Kinder mit Ganztagsgutscheinen für die Kita diese Betreuung, die über die garantierte Grundversorgung von sieben Stunden hinausgeht, wirklich brauchen. Wollen Sie Stechuhren für Kinder?

So ein Quatsch, es geht nicht um Stechuhren, sondern darum, dass die Kinder wirklich in den Kitas sind und nicht nur Gutscheine abgerechnet werden. Wenn wir künftig fast eine Milliarde Euro für die Kitas ausgeben, dann wollen wir auch wissen, ob den Kindern die Betreuung und Erziehung zukommt, für die wir bezahlen. Ich freue mich über jedes zusätzliche Kind, das wirklich im Kindergarten ist und dadurch eine bessere Bildungschance bekommt. Aber ich möchte Transparenz.

Werden denn alle Eltern, die einen Ganztagsplatz für ihr Kind brauchen, diesen weiterhin bekommen?

Ja, logisch, und sogar beitragsfrei. Berlin hat umgesetzt, worüber andere Bundesländer nicht einmal reden. Bei uns müssen Eltern ab 2011 für Kitaplätze in den letzten drei Jahren vor der Einschulung keine Beiträge mehr zahlen müssen. Übrigens sehr zum Ärger anderer Bundesländer – der hessische Finanzminister hat jetzt sogar angekündigt, den Finanzausgleich infrage zu stellen, weil wir uns in Berlin Dinge erlauben, die Hessen als Geberland nicht anbietet.

Will prüfen, ob mit Ganztagsgutscheinen für Kindertagesstätten Missbrauch betrieben wird: Finanzsenator Ulrich Nußbaum.

© Mike Wolff

Die Bezirke überprüfen, welchen Bedarf Eltern geltend machen können. Waren sie zu großzügig damit, Ganztagsplätze zu genehmigen?

Es werden viele Vollzeitgutscheine ausgegeben, und es gibt Unterschiede zwischen den Bezirken. Ich gehe davon aus, dass das alles so richtig ist. Aber man darf doch mal nachfragen, warum man beispielsweise in beliebten und nachgefragten Kitas nur einen Platz bekommt, wenn man einen Vollzeitgutschein hat, und woanders nicht. Wir wollen wissen, warum manche Kindertagesstätten mit ihrem Geld besser auskommen und andere – vielleicht in sozial benachteiligten Bezirken – nicht. Reichen die Kostenblätter aus, oder muss eine Kita besonders viele Vollzeitgutscheine abrechnen, um sich finanzieren zu können? Es ist doch in unser aller Interesse, die Finanzierung so zu regeln, dass alle Kinder die gleichen Chancen haben.

Warum wollen Sie gerade jetzt mehr Kontrolle darüber haben, ob auch das genutzt wird, was bezahlt wird?

Wir haben jetzt die von uns politisch gewollte Systemumstellung auf die Beitragsfreiheit für die Eltern. Bisher mussten die Eltern durch ihre Beiträge den Kitaplatz mitfinanzierten. Sie hatten also ein Interesse, abzuwägen, welche zusätzlichen Betreuungszeiten sie über die Grundversorgung hinaus brauchten. Und nur um diese zusätzlichen Zeiten geht es. In Zukunft, wenn die Betreuung umsonst ist, brauchen wir ein neues System. Das schließt beispielsweise auch ein, dass Gutscheine nicht wie bisher über drei Jahre ausgestellt und in der gesamten Zeit nicht weiter überprüft werden.

Die Jugendstadträte reagieren teilweise ziemlich empört. Sie werfen Ihnen vor, den Bezirken missbräuchliches Ausstellen zu unterstellen.

Ich unterstelle gar nichts. Die Hauptverwaltung gibt das Geld, und die Bezirke leiten es weiter an die Kitas. Unsere Überlegung als Finanzverwaltung war, wie wir sicherstellen können, dass dieser Vorgang bestmöglich funktioniert. Wir wollen einen Gleichklang zwischen dem, der den Scheck ausstellt, und dem, der ihn weiterreicht. Auf Verwaltungsebene haben wir einen Vorschlag gemacht: Wenn ein Bezirk bei den Vollzeitkitagutscheinen deutlich von den anderen Bezirken abweicht, dann soll das begründet werden. Ansonsten könnten die Bezirke mit 25 Prozent an den Mehrkosten beteiligt werden. Natürlich werden besondere Strukturen berücksichtigt: Von Lichtenberg etwa wissen wir, dass viele Eltern in die Stadt pendeln und deshalb längere Betreuungszeiten benötigen. Das ist unser Vorschlag, wir sind aber selbstverständlich bereit, auch Vorschläge der Bezirke aufzunehmen.

Die Bezirke befürchten, auf Kosten in Höhe von 13,9 Millionen Euro sitzen zu bleiben, damit der Senat so wieder Geld reinholen kann, das er für die weitere Beitragsfreiheit und die qualitative Verbesserungen in den Kitas braucht. Was sagen Sie zu der Berechnung?

Mir ist nicht klar, wie sie das gerechnet haben. Und alleine das spricht dafür, dass wir mehr Transparenz brauchen. Ich will die Strukturen nachvollziehen können, nicht die Bezirke belasten. Der Senatsbeschluss steht: Wir finanzieren die Kitabetreuung.

Auch aus der SPD-Fraktion gab es Widerstand gegen Ihre Vorschläge. Wie erklären Sie sich den?

Es geht gar nicht um ein politisches Problem, sondern um verbesserte Verwaltungsstrukturen. Deshalb will ich noch mal klar sagen: Wir wollen kein Geld aus der Kitafinanzierung streichen, sondern die Strukturen an das beitragsfreie System anpassen.

Wie soll denn künftig der Bedarf kontrolliert werden?

Ich bin mir mit dem zuständigen Bildungssenator einig, dass wir ein Modell brauchen, das sicher stellt, das es für alle Beteiligten fair zugeht. Das muss unser gemeinsames Ziel sein. Wenn am Ende ein besserer Vorschlag herauskommt: wunderbar!

Das Interview führte Sigrid Kneist.
Ulrich Nußbaum (53) sitzt seit Mai vergangenen Jahres für die SPD im Berliner Senat. Der parteilose Unternehmer war bereits in Bremen Finanzsenator.

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