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Berlin: Finanzsenator will mit Wohnungen Dividenden erzielen

Sarrazin will Landesbetriebe nicht mehr verkaufen Opposition und PDS warnen vor Mietsteigerungen

Von Sabine Beikler

Das hörte sich früher ganz anders an. Auch die Opposition dachte an ein Missverständnis, als sie Thilo Sarrazin (SPD) hörte: „Das Halten der Unternehmen war rentabler als ein Verkauf“, sagte der Finanzsenator bei der Vorstellung der Bilanz der 63 Unternehmen, an denen das Land beteiligt ist. Sarrazins Wandlung vom Privatisierungsbefürworter zum Besitzstandswahrer sieht man vor allem in seiner Position gegenüber den sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Statt weiterer Verkäufe – die Sarrazin nie ganz ausgeschlossen hat – will er jetzt aus den Gesellschaften sogar „mittelfristig Dividenden herausziehen“, sagt sein Sprecher Matthias Kolbeck.

Rund eine Milliarde Euro verdienten die Landesbetriebe im vergangenen Jahr. Diese Gewinne verbleiben bei den Unternehmen, die damit investieren oder die Schulden weiter abbauen können. Selbst die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften schnitten mit einem Gewinn von 91 Millionen Euro ab. Der Schuldenberg der sechs Unternehmen ist von 9,2 Milliarden Euro im Jahr 2002 auf 7,5 Milliarden Euro im Vorjahr gesunken. Im gleichen Zeitraum ist auch der Netto-Unternehmenswert der Gesellschaften von 2,8 Milliarden auf 4,5 Milliarden Euro angewachsen. „Bei dieser Entwicklung wäre es unsinnig gewesen, die Unternehmen 2002 zu privatisieren“, sagt Sprecher Kolbeck. Und möglicherweise steigt der Wert der Unternehmen auch noch. Deshalb betont Sarrazins Sprecher, dass der Staat genauso gut wirtschaften könne wie ein Unternehmer.

Dieser Aussage widerspricht FDP-Wirtschaftspolitiker Volker Thiel entschieden: „Da, wo es einen Markt gibt, hat sich die Politik völlig herauszuhalten.“ Folgerichtig plädiert der Liberale für den Verkauf aller Landesbeteiligungen, die eine „gigantische Geldverbrennungsanlage“ seien. Berlin müsse jetzt die gute Konjunktur und die Nachfrage nach Wohnungskäufen am Schopfe packen und seine Bestände verkaufen.

CDU-Haushaltsexperte Uwe Goetze hält die Zahlen von Sarrazin für „Taschenspielertricks“: Die von Sarrazin aufgelisteten Erträge der Wohnungsbaugesellschaften resultierten aus Verkäufen von Wohnungen der Gesellschaften WBM und der GSW. Nach wie vor würden die restlichen sechs Wohnungsunternehmen „Risiken“ für das Land verbergen. „Deshalb sollte man sie bei dieser guten Konjunkturlage verkaufen.“

Wohnungsverkäufe lehnen die Grünen zwar nicht durchweg ab. Doch gibt es laut Grünen-Finanzpolitiker Jochen Esser andere Landesbeteiligungen wie zum Beispiel die Stadtgüter (siehe untenstehender Artikel), die zunächst verkauft werden sollten. Dass Sarrazin aber eine Dividende durch landeseigene Wohnungen erzielen will, ist für den Grünen-Politiker „nur durch Mieterhöhungen zu erzielen, die wir ablehnen“.

Das will auch die PDS nicht. „Dividenden müssen durch Mieteinnahmen erwirtschaftet werden. Es ist aber nicht die Kernaufgabe von Landesunternehmen, Dividenden zu bringen, sondern preiswerten Wohnraum anzubieten“, sagt Carl Wechselberg, Finanzpolitiker der Linkspartei/PDS. Er erinnert an den rot-roten Koalitionsvertrag, der bis 2011 Wohnungsverkäufe an Finanzinvestoren ausschließt. Auch den Verkauf anderer Landesbeteiligungen lehnt die PDS ab. Insofern habe man sich in seiner Partei sehr über Thilo Sarrazins Abkehr vom reinen Privatisierungsdenken gefreut.

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