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Berlin: Findige Helfer auf Spurensuche

Ein spezieller Dienst des Deutschen Roten Kreuzes führt Familien nach Katastrophen wieder zusammen

Potsdam - Gabriele konnte es kaum fassen. Sie weinte vor lauter Glück. Mehr als 60 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg lernte die Frau aus einem kleinen märkischen Dorf kürzlich ihren leiblichen Vater kennen. Möglich gemacht hat die Familienzusammenführung der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Dessen Landeschef Uwe Liebich sagt, der Fall von Gabriele sei typisch. Noch immer gingen beim DRK zahlreiche Suchaufträge von Menschen ein, die im Zweiten Weltkrieg Angehörige aus den Augen verloren haben.

Die Geschichte von Gabriele war besonders dramatisch, wie Liebich erzählt. Der Vater war 1940 als Pilot in einem Brandenburger Fliegerhorst stationiert. Dort lernte er eine Brandenburgerin kennen. Als der Pilot nach Frankfurt am Main versetzt wurde, ging seine Freundin mit. 1941 kam Gabriele zur Welt. Doch der Vater wurde erneut abkommandiert. Mutter und Kind gingen zurück ins Märkische. Eines Tages wurde die Mutter von der Gestapo verhaftet und als politische Gefangene ins Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück gebracht. Sie starb dort nach drei Monaten im Alter von 20 Jahren. Gabriele kam zu ihrer Oma, Kontakte zu ihrem Vater gab es nicht.

Erst vor zwei Jahren kam Gabriele auf die Idee, den DRK-Suchdienst einzuschalten. Es begann eine aufwendige Recherche. Liebich suchte in Frankfurt am Main nach Spuren. Er ging davon aus, dass das Standesamt einen Eintrag über die Vaterschaft hat. Doch der Name des Vaters ist ein Allerweltsname.

Trotzdem machte Liebich einen Cousin ausfindig und erfuhr, dass Gabrieles Vater in Belgien lebt. Dann ging alles ganz schnell: Gabriele telefonierte erstmals mit ihrem Vater. Anschließend stornierte sie ihren bereits gebuchten Urlaub und fuhr nach Belgien. Dort traf sie ihren mittlerweile mehr als 90 Jahre alten Vater und ihre Halbgeschwister.

Der DRK-Suchdienst kümmert sich nicht nur um Verschollene des Zweiten Weltkrieges. In erster Linie stehen die derzeit mehr als 300 ehrenamtlichen Helfer in Brandenburg für Katastropheneinsätze bereit. Sollte sich in Brandenburg ein Unglück ereignen, wäre der Suchdienst innerhalb von Minuten einsatzbereit. Die Helfer sollen sich in einem solchen Fall vor Ort um die Registrierung von Toten und Verletzten kümmern sowie die Daten mit Vermisstenanzeigen abgleichen. Bei den Oder- und Elbe-Fluten der vergangenen Jahre zum Beispiel waren die Mitglieder der betreffenden Kreisauskunftsbüros bereits in Alarmbereitschaft. Ein Einsatz wurde jedoch nicht nötig. Anders war das im Dezember 2004 in Südostasien: Nach dem verheerenden Tsunami suchten die DRK-Helfer nach Familienangehörigen und Bekannten.

Eine weitere Aufgabe ist die Familienzusammenführung bei Spätaussiedlern. Zudem versuchen der Suchdienst auch, verstorbene Angehörige über die Kriegsgräberforschung ausfindig zu machen. Ein weiteres Arbeitsfeld stellen Suchanträge infolge der deutschen Teilung dar. Nach dem Mauerbau seien Tausende Familien getrennt worden, sagt Liebich. Seit dem Ende des kalten Krieges und der deutschen Wiedervereinigung suchten nun zahlreiche Menschen ihre Verwandten. ddp

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