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Berlin: Flierl soll sich öffentlich entschuldigen

Nach Stasi-Eklat fordert Opposition Erklärung des Kultursenators

Von Sabine Beikler

Die drei Oppositionsparteien CDU, FDP und Grüne fordern von Kultur- und Wissenschaftssenator Thomas Flierl (Linkspartei) eine öffentliche Entschuldigung und wollen über das Verhalten des Senators am Donnerstag im Abgeordnetenhaus debattieren. Flierl hatte wie berichtet in der vergangenen Woche auf einer Diskussionsveranstaltung, an der 200 bis 250 ehemalige Mitarbeiter der Staatssicherheit teilgenommen hatten, der Geschichtsleugnung über die Zustände im Stasi-Knast nicht widersprochen. Laut Protokollabschrift nannte Flierl die ehemaligen MfS-Bediensteten „Zeitzeugen“.

Am Montag verteidigte sich der Senator im Kulturausschuss. Die „massive und militante Präsenz“ der ehemaligen Stasi-Funktionäre auf der Veranstaltung, auf der über die Markierung des ehemaligen Sperrgebiets rund um die Gedenkstätte Hohenschönhausen diskutiert werden sollte, sei „unerwartet und schwer erträglich“ gewesen. Diese „Leute“ suchten die Öffentlichkeit und die Konfrontation, „auch durch Zweifel an und Gegendarstellung von historischen Sachverhalten“. Er bedauere, dass „mit meinem Beitrag der Eindruck entstanden ist, ich würde die Auseinandersetzung nicht genügend offensiv führen“. Zu keinem Zeitpunkt habe er die „systematischen Menschenrechtsverletzungen“ der Stasi leugnen wollen. „Ich habe mich stets für die historisch genaue Aufarbeitung dieser Zusammenhänge eingesetzt.“

Bei der Linkspartei nimmt man die Aufregung über Flierls Verhalten allenfalls mit einem leichten Schulterzucken zur Kenntnis. Flierls Nicht-Reaktion führt Fraktionschef Stefan Liebich auf die „Form der Veranstaltung“ durch das geballte Auftreten der Ex-Stasi-Kader zurück. Flierl habe nie eine Nähe zur Stasi gehabt. Immerhin hätte sich Kulturpolitiker Wolfgang Brauer „klarere Worte“ von dem Kultursenator gewünscht, doch gehören für Brauer zu den Zeitzeugen nicht nur Opfer, sondern auch Täter zu einem „authentischen Geschichtsbild“ dazu.

Kulturausschussvorsitzende Alice Ströver (Grüne) bezeichnet die Erklärung als „weiche Selbstkritik“. Flierl habe sein Versagen eingestanden, jetzt aber müsse er sich öffentlich entschuldigen. „Er ist als Kultursenator für die Gedenkstättenpolitik verantwortlich, als Stiftungsratsvorsitzender der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen für die Aufarbeitung der SED-Unrechtstaten.“ Und in der Diskussion über historische Authentizität könne man Täter und Opfer als Zeitzeugen nicht gleichsetzen.

CDU-Kulturpolitiker Uwe LehmannBrauns will Flierl für seine „wegduckende Position“ in die Haftung nehmen. Als Senator müsse er eine „wehrhafte Demokratie verteidigen und sich nicht abstrakt-soziologisch distanziert herausmogeln“. Als Zeitzeugen seien diejenigen zu bezeichnen, die Zeugnis über Geschichte ablegen können, aber kein falsches Zeugnis, wie es die Ex-Stasi-Kader mit ihrer Geschichtsleugnung erkennen ließen.

Flierl setze sich dem Verdacht aus, „im Senat als Schutzpatron der Stasi-Funktionäre“ zu fungieren, sagt FDP-Fraktionschef Martin Lindner. Kulturpolitikerin Sibylle Meister kritisiert, dass sich Flierl nicht den „geschichtsverfälschenden Pöbeleien“ entgegengestellt habe.

Das kann auch die SPD-Kulturpolitikerin Brigitte Lange nicht verstehen. Wie Landes- und Fraktionschef Michael Müller fordert sie ein „eindeutiges Distanzieren“ von Flierl. Die SPD unterstützt das Ansinnen der Opposition, eine Erklärung des Parlaments zum Umgang mit den SED-Unrechtstaten abzustimmen. Ob die PDS eine Erklärung aller Fraktionen mitunterzeichnet, ist offen. SPD-Politiker Michael Müller: „Die Linkspartei muss sich eindeutig von den Unrechtstaten der Stasi und des SED-Staates distanzieren.“ Das sei kein Lippenbekenntnis, sondern müsse als „Haltung der Partei“ auf Landesebene deutlich erkennbar sein.

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