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Sesshaft werden. Auf dem Oranienplatz wird gezimmert – bisher sind etwa zwölf Hütten entstanden.

© Kai-Uwe Heinrich

Update

Flüchtlinge am Oranienplatz: Holzhütten bedeuten große Brandgefahr

Während die Beteiligten die Zuständigkeit hin- und herschieben, schaffen die Flüchtlinge Fakten auf dem Oranienplatz in Kreuzberg. Doch von den errichteten Holzhütten droht Gefahr: Es könnte zu einer Brandkatastrophe kommen.

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Eine Lösung für das Camp am Oranienplatz ist weiter nicht in Sicht. Während die politisch Beteiligten jeweils aufeinander verweisen, um die Zuständigkeit von sich wegzuleiten, schaffen die Flüchtlinge und ihre Unterstützer Fakten: Sie errichten derzeit ein Dorf aus Holzhütten auf dem Platz. Der Kreuzberger CDU-Abgeordnete Kurt Wansner sagt, er habe die bezirkliche Bauaufsicht jetzt schriftlich aufgefordert, das Camp räumen zu lassen – aus Sicherheitsgründen, zur Gefahrenabwehr. „Wenn Sie in einer Hütte aus Spanplatten und Holz leben und es brennt, dann gnade Ihnen Gott“, sagt Wansner. Am Donnerstag erwarte er das Gutachten eines vereidigten Sachverständigen, in dem die Gefahr einer Brandkatastrophe als extrem groß beschrieben werde. Demnach gibt es weder Fluchtwege noch Zugänge für die Feuerwehr – was umso dramatischer sei, da im Lager auch gekocht werde und teils marode Stromleitungen lägen. Da das Camp an stark begangenen Wegen mitten in der Stadt liege, seien Besetzer, Passanten und Anwohner gleichermaßen gefährdet. Als fachlich zuständige Stelle müsse die Bauaufsicht zur Gefahrenabwehr handeln – unabhängig von der politischen Gemengelage im Bezirksamt. Vom Bauamt des Bezirks war keine Aussage zu bekommen, wie auf das Errichten der Hütten reagiert werden soll.
Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) ließ am Mittwoch wissen, sie warte erst einmal ab. Innensenator Frank Henkel (CDU) hatte Herrmann aufgefordert, gegen die Befestigung des Protestcamps vorzugehen. Das Bezirksamt sei „in der Pflicht, eine solche rechtswidrige Nutzung des Platzes zu unterbinden“. Bis Freitag erwarte er eine Reaktion. Herrmann konterte, sie warte die Verhandlungen ab, die der Senat führe. Dabei gehe es ja auch um den freiwilligen Abbau der Zelte.

Monika Herrmann: „Das ist Chefsache von Klaus Wowereit.“

„Henkel kann nicht über den Bezirk spielen“, sagte sie dem Tagesspiegel. „Das ist Chefsache von Klaus Wowereit.“ Große Hoffnungen, dass sein Appell befolgt wird, hatte Henkel ohnehin nicht, denn der Bezirk hatte vergleichbare Aufforderungen auch früher ignoriert. Innenstaatssekretär Bernd Krömer sagte dem Tagesspiegel: „Ich bin entsetzt über das Spektrum der Ausreden von Frau Herrmann, wenn es um das Wegducken vor Verantwortung geht.“

Integrationssenatorin Dilek Kolat ist in „Geheimverhandlungen“ seit Januar damit beschäftigt, mit den Flüchtlingen zu reden – allerdings unregelmäßig. Und es gibt einen Konstruktionsfehler, wie immer wieder zu hören ist. „Kolat hat nichts in der Hand“, sagt ein Verhandlungsteilnehmer. Letztlich entscheide die Ausländerbehörde – und damit eben Frank Henkel. Oder etwa doch Regierungschef Wowereit mit seiner Richtlinienkompetenz? Die Zuständigkeiten im Senat oszillieren zwischen der CDU-geführten Innenverwaltung mit Ausländerbehörde und Polizei einerseits und der SPD-geführten Integrationsverwaltung mit Senatorin Dilek Kolat als Verhandlungsführerin andererseits. Eine Ebene darunter sitzt der primär zuständige Bezirk, der die Hoheit über den Platz hat. Die „politische Leitung“ Monika Herrmann weist ihre Verantwortung zurück. Henkel und Kolat sollten miteinander sprechen. Kolat sei diejenige, die die Verhandlungen mit den Flüchtlingen führe. Herrmann klagt zugleich, sie werde gar nicht informiert.

Kolat: „Wir sind in konstruktiven Gesprächen.“

Dilek Kolat schweigt. Nur zu einem Satz ließ sich die Senatorin am Mittwoch am Rande einer Veranstaltung bewegen: „Wir sind in konstruktiven Gesprächen.“ Mehr nicht. Dem Vernehmen nach gibt es Gespräche auf Arbeitsebene zwischen Kolats und Herrmanns Verwaltungen. Immerhin eines kristallisiert sich heraus: Eine Paketlösung wird es für die Flüchtlinge wohl nicht geben. „Es geht um den Weg zur Einzelfallprüfung, dazu braucht es Vertrauen“, sagte Senatssprecher Richard Meng am Mittwoch.

Die Senatoren Kolat und Henkel sind im Kontakt. Denn die Ausländerbehörde ist für die Prüfung des Aufenthaltsstatus zuständig. Eine Liste mit Namen von 490 Flüchtlingen soll inzwischen erstellt worden sein. Henkels politische Linie ist, eine humanitäre Lösung in Einzelfällen zu finden, aber keine aufenthaltsrechtliche Besserstellung der betroffenen Flüchtlinge. Er fürchtet auch, dass es Sogwirkung haben könnte, wenn die Flüchtlinge mit ihrer Methode Erfolg haben. Das Verhältnis zwischen Kolat und Henkel ist aber nicht ungetrübt. Henkel wartet insgeheim darauf, dass Kolat die Gespräche für gescheitert erklärt, damit die Räumung, die er schon vor Wochen vorgeschlagen hatte, wieder thematisiert wird. Und die SPD tut alles, um ihrem Koalitionspartner eben diesen Gefallen nicht zu tun. Der Innensenator scheiterte Anfang Januar mit seinem Plan, die Zustimmung des Senats zur Räumung des Flüchtlingscamps zu bekommen. Nach dieser Schlappe beschloss der Koalitionsausschuss, statt der angedrohten Räumung solle weiter verhandelt werden – bis zu einer friedlichen Lösung. Allerdings schloss Wowereit eine Räumung des Camps damals nicht grundsätzlich aus. Er sei sich mit Henkel einig, dass die „unhaltbaren Zustände auf dem Platz, die zulasten der Flüchtlinge und Anwohner gehen, nicht auf Dauer bestehen bleiben können“, sagte Wowereit damals. Der Abgeordnete der Linken, Hakan Tas, forderte alle Beteiligten auf, die Verhandlungen nicht zu torpedieren. „Die Verhandlungen müssen in Ruhe und vertraulich zu Ende geführt werden“, sagte Tas. Das Flüchtlingscamp wird auch Thema in der Fragestunde der Plenarsitzung am Donnerstag werden.

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