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Erste Hilfe. Ein Mediziner des Deutschen Roten Kreuzes untersucht am Bahnhof Schönefeld eine Frau aus Syrien, die mit dem Zug aus München angekommen ist.

© Bernd Settnik/dpa

Flüchtlinge in Berlin: Ärzte wollen Gesundheitskarte sofort einführen

Für die Gewerkschaft Marburger Bund ist die medizinische Versorgung in vielen Berliner Flüchtlingsheimen " weiter desolat". Sie fordert eine bessere Koordination und mehr Personal für die Gesundheitsämter.

Eigentlich ist es ja eine gute Nachricht, das sieht Peter Bobbert schon auch so, andererseits: Das Problem hat sich nur verlagert. Das sagt Bobbert ebenfalls. Bobbert führt den Landesverband Berlin-Brandenburg der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, und er schlägt Alarm.

Die Geschwindigkeit, in der Flüchtlinge registriert werden, steigt“, sagt er zwar, „damit haben diese Menschen einen Anspruch auf medizinische Versorgung“. Das ist die gute Nachricht. Aber: „In der täglichen Umsetzung gibt es große Schwierigkeiten.“

Konkret: In Flüchtlingsheimen ist eine generelle, ordnungsgemäße Betreuung nicht gewährleistet. Dort laufe aus zwei Gründen alles „sehr unkoordiniert ab“. Die Flüchtlinge wüssten nicht, welche Ansprüche sie überhaupt hätten. Und wenn sie es doch wüssten, sei ihnen nicht klar, wie sie diese Ansprüche einfordern könnten. Bleibt für Bobbert als Fazit: „In einzelnen Notunterkünften ist die medizinische Versorgung weiter desolat.“

Desolat ist seiner Ansicht nach aber auch immer noch die Situation vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso). Dort haben jetzt zwar Mediziner der Charité und der Bundeswehr die medizinische Versorgung der Flüchtlinge übernommen, die dort auf ihre Registrierung warten. „Doch die Arbeit liegt noch immer komplett bei ehrenamtlichem medizinischem Personal.“

Viele Ärzte arbeiten umsonst - aber nicht alle

Wobei Bobbert ehrenamtlich etwas eigenwillig interpretiert. Die Ärzte der Charité, die am Lageso arbeiten und für diese Tätigkeit freigestellt sind, werden selbstverständlich von ihrer Klinik weiter bezahlt, sie arbeiten nicht kostenlos. Das räumt auch Bobbert ein. Er beklagte allerdings, dass das Lageso der Charité nichts bezahle. Zudem gebe es Ärzte, die in ihrem Urlaub und am Wochenende Flüchtlinge versorgten. Auf einen entsprechenden Aufruf des Marburger Bundes hatten sich 800 Ärzte für die Arbeit am Lageso gemeldet. Wie viele Mediziner jetzt noch am Lageso und in den Heimen arbeiten, konnte Bobbert nicht sagen.

Aber auch der Einsatzort für diese Ärzte sei ein Problem. Das Lageso koordiniere ihre Arbeit nicht, sagte Bobbert. Mit dem Ergebnis, dass sich die Mediziner selber darum kümmern müssten, in welchen Heimen sie Patienten behandeln. „Oft sind das dann Heime, die in der Nähe der Ärzte liegen.“

Der Marburger Bund hat drei Forderungen: Die Gesundheitskarte für Flüchtlinge müsse sofort eingeführt werden. Die von ihm so bezeichneten „Ehrenamtlichen“ müssten durch hauptamtliches medizinisches Personal abgelöst werden. Und drittens: Die Gesundheitsämter müssten personell viel besser ausgestattet werden als bisher.

Gesundheitsämter völlig überfordert

Diese Gesundheitsämter haben unter anderem die Aufgabe, in den Flüchtlingsheimen die hygienischen Zustände zu kontrollieren und im Bedarfsfall verbessern zu lassen. Doch die Gesundheitsämter der Bezirke seien angesichts ihrer dünnen Personaldecke noch nicht mal in der Lage, ihre normalen Aufgaben zu erledigen, sagte Bobbert. Zu den normalen Aufgaben gehört zum Beispiel Gesundheitsprävention gerade bei Kindern und Älteren aus sozial schwachen Bereichen, „die nicht alle zwei Monate zum Arzt gehen“.

Der Marburger Bund habe schon vor 18 Monaten 44 neue Stellen in den Ämtern gefordert, eingestellt worden sei allerdings niemand. „Und durch die Flüchtlinge wird die Arbeit noch mehr.“ Bobbert schätzt den aktuellen Bedarf inzwischen auf 50 Stellen Immerhin: Bei der Gesundheitskarte gibt es eine Entwicklung. Die wird in Berlin zu Beginn des neuen Jahres eingeführt.

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