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Bedrohliche Enge. Die Unterbringung der Flüchtlinge in Notunterkünften wie Turnhallen oder wie hier in Tempelhof trägt zu Konflikten bei.

© Rainer Jensen/dpa

Update

Flüchtlinge in Berlin: Brutale Gewalt in zwei Flüchtlingsheimen

In einer Flüchtlingsunterkunft in Adlershof gab es eine Rangelei unter 100 Menschen. In Karlshorst sollen Flüchtlinge mit Holzlatten auf Sicherheitsleute losgegangen sein. Ein Gespräch mit den Augenzeugen.

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Freitagmittag in einer zur Flüchtlingsunterkunft umgebauten Turnhalle in der Merlitzstraße, ein paar Gehminuten vom S-Bahnhof Adlershof entfernt. Die Halle ist recht neu, dunkelgrau gestrichen, viel Glas. Neben den Rauchern vor dem Gebäude steht ein Mann vom Sicherheitsdienst, ein zweiter Security-Mitarbeiter kommt wütend auf ihn zu: „Der Hurensohn!“, schimpft er. Der erste antwortet ganz ruhig: „Stich’ ihn doch einfach ab.“

Es ist nicht klar, um wen es bei dem Gespräch geht, aber der Umgangston der Security-Leute ist rau, auch gegenüber der Presse: „Sie lügen ja sowieso“, heißt es. Auch vom Betreiber der Flüchtlingsunterkunft ist an diesem Freitag keine Stellungnahme zu den Vorfällen am Donnerstagabend zu erhalten.

Nach bisherigen Erkenntnissen der Polizei war es gegen 21.30 Uhr vor der Turnhalle zu einer Rangelei zwischen rund 100 Personen gekommen. Anlass sei die Ankunft einer Gruppe von 20 Flüchtlingen gewesen, die dort unterkommen sollten. Das bestätigt auch der Sprecher der Berliner Sozialverwaltung, Sascha Langenbach. „Es gab Streit wegen der Neuankömmlinge und wegen unterschiedlicher Auffassungen über den Umgang mit einer 17-jährigen Schwangeren“, sagte er dem Tagesspiegel.

Die schwangere 17-Jährige musste ambulant behandelt werden

Die junge Frau wurde laut Polizei gestoßen und musste wegen Schmerzen im Unterleib ambulant behandelt werden. Ein Security-Mann erlitt durch einen Faustschlag eine Gesichtsverletzung, die ebenfalls ambulant behandelt werden musste. Die Polizei nahm drei Heimbewohner im Alter von 20, 22 und 24 Jahren vorläufig fest. Sie wurden nach erkennungsdienstlichen Behandlungen wieder entlassen.

Auch in einem Flüchtlingsheim in Karlshorst kam es in der Nacht zu Freitag zu Ausschreitungen. In der Turnhalle auf dem Campus der Hochschule für Technik und Wirtschaft wohnen etwa 200 Flüchtlinge – auf engem Raum und in notdürftig voneinander abgetrennten „Abteilen“.

Am Eingang sitzt ein bulliger Security-Mann, Mitte dreißig, Glatze, und schaut sich auf dem Smartphone Internetvideos an. „Hier gibt’s nichts zu sehen, hau ab“, sagt er plötzlich, „mit Flüchtlingen reden ist hier übrigens auch nicht!“

Draußen auf der Straße gelingt es aber doch. „Gestern Abend ist ein Iraner spät nach Hause gekommen und in einen Streit mit einem Wachmann geraten“, erzählt ein Flüchtling aus Syrien. „Als andere Heimbewohner den Streit gefilmt haben, ist die Situation völlig eskaliert.“

Der 32-jährige Heimleiter kam zur stationären Behandlung in eine Klinik

Laut Polizei waren kurz nach Mitternacht 40 Heimbewohner unter anderem mit Holzlatten und Kanthölzern auf die Sicherheitsleute losgegangen, nachdem diese einem stark alkoholisierten Flüchtling den Zutritt verweigerten. Der 32-jährige Heimleiter, der vermitteln wollte, erlitt Frakturen im Gesicht und kam zur stationären Behandlung in eine Klinik.

Ein 21-jähriger Flüchtling griff dann auch die herbeigerufenen Diensthundführer der Polizei an und wurde erst durch den Biss eines Hundes von weiteren Handlungen abgehalten. Er muss sich nun wegen besonders schweren Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung verantworten. Bei der Auseinandersetzung wurde auch ein 26-jähriger Flüchtling leicht verletzt – er stellte Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung gegen die Mitarbeiter der Security.

„Wir hatten erst am Donnerstagnachmittag ein sehr langes Gespräch mit der Security-Firma, weil wir mit ihrem Verhalten in einigen Fragen nicht einverstanden waren“, sagt Michael Heinisch. Er ist Vorstandvorsitzender SozDia-Stiftung, die das Heim betreibt: „Wir versuchen, dass die Flüchtlinge nach und nach ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht. Aber nicht alle Security-Leute verstehen das. Dabei ist es doch so wichtig für die Integration.“

Auch die Berliner CDU-Fraktion arbeitet derzeit an einem Maßnahmenpaket, um die Integration zu erleichtern. „Jeder Flüchtling soll eine Demokratieverpflichtungserklärung unterzeichnen“, sagte der CDU-Abgeordnete Burkard Dregger dem Tagesspiegel. Darin soll unter anderem stehen, dass das Grundgesetz und keine andere Verfassung oder Rechtssystem gelte, oder dass Mädchen und Frauen selbstbestimmt leben. Dregger fordert auch einen „Wertedialog“. Eine externe Person müsse mit Flüchtlingen in einer Unterkunft über Werte und Regeln in Deutschland diskutieren.

Dregger selbst hatte ein Treffen zwischen Flüchtlingen und einem evangelischen Pfarrer in einem afghanischen Kulturverein initiiert. Der Vortrag sei parallel übersetzt worden, sagt er: „Die Flüchtlinge haben alle zugehört und mitdiskutiert.“ Außerdem sollen ehrenamtliche Berliner Flüchtlinge betreuen und über ihre Arbeit auch Werte vermitteln.

Polizei legt Kriminalitätsstatistik in Heimen vor

Gewalt in Berliner Flüchtlingsheimen ist offensichtlich an der Tagesordnung, das legt die aktuelle Kriminalitätsstatistik nahe, die die Polizei am Freitag vorstellte. Nach Angaben von Polizeipräsident Klaus Kandt wurden im Jahr 2015 etwa 2000 Straftaten in Flüchtlingsunterkünften erfasst. Knapp 1000 waren Gewalttaten, darunter Raub, Körperverletzung.

Hass im Gepäck: Ahmed, Abdul und Mohammed leben in einem Berliner Flüchtlingsheim. Aus ihrer Heimat haben sie ihren Ehrenkodex mitgebracht. Und den Hass auf Schwule, Schwarze und Andersgläubige. Es wird lange dauern, bis sie wirklich ankommen. Lesen Sie hier einen Auszug aus unserer Reportage und den ganzen Text lesen Sie hier für 45 Cent im digitalen Kiosk Blendle.

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