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Bis Sonntag protestierten Flüchtlinge auf dem Dach des Hostels in der Gürtelstraße in Friedrichshain.

© dpa

Update

Besetzung in Berlin-Friedrichshain: Kreuzberger Kirche nimmt Flüchtlinge aus Hostel auf

Der dramatische Protest der Flüchtlinge auf dem Hostel-Dach in der Gürtelstraße ist beendet. Eine Mahnwache der Unterstützer harrt weiter aus. Die Flüchtlinge kommen erstmal in der Heilig-Kreuz-Kirche in Kreuzberg unter.

Der tagelange Nervenkrieg um das Hostel in der Friedrichshainer Gürtelstraße und die dort auf dem Dach protestierenden Flüchtlinge ist vorbei. Wie der Lagedienst der Polizei am frühen Sonntagabend bestätigte, hätten sich die vier noch bis zuletzt auf dem Dach ausharrenden Flüchtlinge nach Gesprächen mit dem Verhandlungsteam vom Dach zurückgezogen und ständen wohl kurz davor, das Gebäude zu verlassen.

Der Rückzug der Flüchtlinge war dem Tagesspiegel kurz zuvor vom Leiter des Hostels mitgeteilt worden. Im weiteren Verlauf des Abends berichtete er, dass sich die vier Flüchtlinge weiter im Gebäude aufhielten, jedoch schon ihre Sachen packten, um das Hostel zu verlassen. Ein Pfarrer, der im Hostel erwartet werde, habe den Flüchtlingen eine Unterkunft in der Kreuzberger Heilig-Kreuz-Kirche angeboten. „Wir bieten den Flüchtlingen eine befristete humanitäre Hilfe“, sagte Pfarrer Peter Storck am Montag. „Der Machtkampf im Senat kann nicht auf Kosten der Schwächsten ausgetragen werden“, kritisierte Storck.

Keine langfristige aufenthaltsrechtliche Perspektive in der Gemeinde

Für fünf bis sechs Wochen können die Flüchtlinge in der  evangelischen Kirche unterkommen. Dabei gilt das Angebot nicht nur für die, die zuletzt das Dach verlassen haben, sondern für alle Flüchtlinge, die oben waren. Sonntagnacht haben die ersten, die dem Angebot direkt folgten, im Kirchenschiff geschlafen – jetzt ziehen sie in das Sozial- und Kulturzentrum der Gemeinde in der Gitschiner Straße 15. Ihrem Kernwunsch kämen sie damit nicht näher. „Was passiert nach sechs Wochen?“, fragt Storck. Eine langfristige aufenthaltsrechtliche Perspektive könne die Gemeinde den Flüchtlingen nicht bieten. „Aber einen Lebensraum für die nächste Zeit – einen Ort, an dem sie in Ruhe ihre Sachen regeln können.“ Vielleicht könne die Gemeinde die Flüchtlinge auch rechtlich unterstützen. Aber bis jetzt kenne man die Einzelfälle noch nicht, so der Pfarrer. Die Heilig-Kreuz-Kirche sammelt jetzt Spenden, um die Unterbringung zu finanzieren.

Der flüchtlingspolitische Sprecher der Linken, Hakan Taş, der noch am Sonnatgvormittag am Hostel gewesen war, bestätigte gegen 21 Uhr, dass die vier Flüchtlinge das Haus tatsächlich verlassen hätten. Es habe dabei keine Feststellung der Identität durch die Polizei und auch keine Strafanzeige durch den Hostel-Betreiber gegeben. Dieser bedankte sich gegenüber dem "Tagesspiegel" sehr herzlich bei der Polizei für ihre Handhabung des Konflikts. In anderen Bundesländern wäre wohl schon geräumt worden.

Eine Mahnwache der Unterstützer harrt aber weiterhin vor dem Gebäude aus. Am frühen Montagmorgen waren es in der Gürtelstraße aber weniger als zehn Unterstützer, wie die Polizei mitteilte. In den vergangenen Tagen waren es zeitweilig mehr als hundert gewesen. Die knapp zwei Wochen lang gesperrte Gürtelstraße war noch in der Nacht zum Montag wieder für den Verkehr freigegeben werden.

Wie berichtet, hatte der Konflikt damit begonnen, dass 108 Flüchtlingen vom Oranienplatz Ende August kurzfristig mitgeteilt worden war, dass die Prüfung ihres Asylbegehrens in Berlin abgeschlossen sei und sie in die Bundesländer zurückkehren müssten, wo sie als Asylsuchende registriert seien. Die Flüchtlinge hatten mit ihrem Protest erreichen wollen, dass ihre Asylverfahren erneut geprüft und aus den anderen Bundesländern nach Berlin überstellt würden - wie es ihnen in der Vereinbarung vom Oranienplatz aus dem Frühjahr zugesichert worden sei.

Von den in der Gürtelstraße untergebrachten Flüchtlingen hatte die Mehrzahl das Gebäude ohne Widerstand verlassen. Einige hatten sich jedoch seit dem 26. August geweigert, das Hostel zu verlassen und sich in einem Zimmer mit Dachzugang verbarrikadiert. Wiederholt drohten sie, sich im Falle einer Räumung in den Tod zu stürzen – eine Situation also, die dem Tauziehen um die Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg überaus glich.

Die Polizei hatte sich diesmal auf die Strategie verlegt, die Flüchtlinge von der Außenwelt abzuschneiden. Strom und Wasser wurden abgestellt, auch die Unterstützer, die sich wiederholt vor dem Hostel versammelten und lautstark protestierten, bekamen keinen Zugang mehr. Sogar eine Flüchtlingsanwältin und drei Geistliche wurden nicht durchgelassen. Noch Sonntagfrüh wurde dem Linken-Abgeordneten Taş der Zugang verwehrt.

Der Protest hatte am Wochenende auch das Bürgerfest der CDU Lichtenberg mit Innensenator Frank Henkel erreicht, als dort rund 80 Unterstützer und Flüchtlinge protestierten.

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