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Die frühere Flughafenhalle ist riesig und kann viele Menschen aufnehmen. Angesichts der Flüchtlingszahlen ist dies jetzt geplant.

© Doris Spiekermann-Klaas

Flüchtlingsunterkunft im Flughafen Tempelhof: Soll Berlin den Katastrophenfall ausrufen?

Angesichts der dramatischen Lage könnten jetzt doch Flüchtlinge auf dem alten Flughafengelände unterkommen. Mittes Bürgermeister fordert "quasi militärisches Vorgehen".

Von Fatina Keilani

Es ist ein Riesenprojekt und für einen alleine nicht zu stemmen. Deshalb hat das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso), vor dem schon seit Wochen aufgrund der vielen Flüchtlinge teils dramatische Zustände herrschen, jetzt die Innenverwaltung um Amtshilfe gebeten. Der Plan: 3000 bis 4000 Flüchtlinge im ehemaligen Flughafen Tempelhof unterbringen. Die Innenverwaltung bestätigte dies und kündigte Hilfe an. Die Gesamtkoordination könne man aber nicht übernehmen.

Wenn es nach Mittes Bürgermeister Christian Hanke (SPD) geht, sollte Berlin sogar den Katastrophenfall ausrufen. „Es kommt der Winter, und zum Herbst steigen die Flüchtlingszahlen noch stärker“, sagte Hanke dem Tagesspiegel am Donnerstag. „In den Parks meines Bezirks schlafen Flüchtlingsfamilien, das darf nicht sein. Obdachlosigkeit ist zwingend zu vermeiden.“ Hanke ist einer der Befürworter der Idee, den ehemaligen Flughafen Tempelhof für Flüchtlinge zu nutzen. Er ist auch dafür, Container an den Rändern des Tempelhofer Felds aufzustellen. „Das ist eine absolute Notsituation. Die humanitäre Frage ist jetzt wichtiger als die Ergebnisse des Volksbegehrens“, so Hanke. Das Ganze müsse „quasi militärisch organisiert werden“, denn mittlerweile gehe Berlin davon aus, dass in diesem Jahr 45 000 Flüchtlinge kämen. Zu Jahresbeginn war mit 15 000 gerechnet worden, und das galt schon als Herausforderung. Die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram sieht ebenfalls die Notwendigkeit, die Menschen vor Obdachlosigkeit zu bewahren. „Jede Lösung, bei der die Leute nicht im Park schlafen müssen, ist erst mal gut“, sagte Bayram.

Der Senator zeigt Führungsschwäche

Und wo ist der zuständige Senator Mario Czaja (CDU)? Das fragen sich mittlerweile viele. Erst kürzlich fand in dem Flughafengebäude eine Begehung statt, nun wird von Czaja eine Entscheidung erwartet. Das Thema stand schon vor einem Jahr zur Debatte, doch damals hielt man das Gebäude noch für ungeeignet und die Umsetzung für zu teuer. Mittlerweile hat sich die Lage geändert. Die Vertragspraxis des Lageso wurde nach Unregelmäßigkeiten gestoppt mit der Folge, dass nun viele Hostel-Gutscheine ausgegeben werden. Kosten und Abwicklung wachsen dem Lageso über den Kopf, und dabei ist die Behörde ohnehin dem Kollaps nahe. So ist der Flughafen aus der Not heraus doch wieder in den Bereich des Denkbaren gerückt.
Die Registrierung, also die Erstaufnahme der Flüchtlinge könnte an den früheren Check-in-Schaltern stattfinden, die Unterbringung in den umliegenden Gebäuden. Details gibt es nicht – weder die zuständige Senatsverwaltung noch das Lageso äußern sich, und auch vom beteiligten Stab der Feuerwehr ist nichts zu bekommen.

Alle arbeiten am Rand ihrer Kräfte

Die DLRG wirbt bereits kräftig um Helfer. „Liebe Kameradinnen und Kameraden“, beginnt der Eintrag auf der Facebook-Seite der DLRG Berlin. Dann folgt ein langer Aufruf an alle Mitglieder, sich zu melden, falls sie Unterstützung leisten können. Darin heißt es weiter: „Gesucht werden Helfer, die bereit sind, mehrere Tage gegebenenfalls auch im Schichtdienst zur Verfügung zu stehen.“ Es müssten Positionen wie Registrierung, Materialausgabe, Verpflegungsausgabe, Verwaltung und vieles mehr besetzt werden.
Auf Czaja lastet Handlungsdruck. Die Unzufriedenheit mit dem Senator steigt, sein Verhältnis zum Lageso ist schlecht. Der Personalrat des Lageso schrieb Ende Juli einen kritischen Brief an Czaja, der dem Tagesspiegel vorliegt. Die Mitarbeiter fühlen sich in Misskredit gebracht; sie leiden unter Arbeitsüberlastung und können vom angekündigten „Paradigmenwechsel“ nichts erkennen. Im Gegenteil: Seit Czaja alle Verträge unter Genehmigungsvorbehalt gestellt habe, sei keine einzige neue Flüchtlingsunterkunft eröffnet worden.

Das Flughafengebäude war bereits als Lageso-Außenstelle für die Registrierung von Flüchtlingen im Gespräch - erwies sich dann jedoch als ungeeignet. Stattdessen fiel die Wahl auf das frühere LBB-Haus in Wilmersdorf.

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