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Flughäfen: Vormund für die Airport-Frau

Seit Dezember lebt die hoch gebildete und gut gekleidete Finnin auf dem Flughafen Tegel, vor wenigen Tagen zog sie nach Schönefeld um. Nun haben die Behörden einen Vormund bestellt und wollen die Gestrandete zurück in ihre Heimat bringen – notfalls auch gegen ihren Willen.

Von Sandra Dassler

Sie bewegt nicht nur die Gemüter, sondern auch die Behörden – und dabei möchte die finnische Frau, die seit Monaten auf den Berliner Flughäfen lebt, doch nur in Ruhe gelassen werden. Da die 40-Jährige aber nach Überzeugung ihres behandelnden Arztes aus ihrem Heimatland psychisch krank ist und dringend Medikamente benötigt, ist dort nun ein Vormund bestellt worden.

Ein Gericht in der zweitgrößten finnischen Stadt Espoo hat dies am Mittwoch verfügt. „Diese amtliche Interessenvertreterin soll sich mit der von einem Berliner Gericht bestellten Betreuerin in Verbindung setzen“, sagt der finnische Gesandte Jarno Syrjälä: „Wir hoffen, dass wir dann gemeinsam mit den Behörden eine Lösung finden, um der Frau zu helfen.“

Die Finnin hat bisher jegliche Hilfe abgelehnt. Wie berichtet, lebte die hoch gebildete und gut gekleidete Frau seit Dezember am Flughafen Tegel. Vor einigen Tagen zog sie nach Schönefeld um. Dort besucht sie Kai Henttonen jeden Tag. Der Pfarrer der finnischen Gemeinde ist der einzige Mensch, zu dem die Frau inzwischen Vertrauen gefasst hat. „Sonst lehnt sie jeden Kontakt ab, auch den zu ihrer deutschen Betreuerin“, sagt Henttonen.

Der finnische Pfarrer ist nach wie vor der Ansicht, dass man der Frau helfen muss – notfalls auch gegen ihren Willen. „Sie braucht eine ärztliche Betreuung, sie braucht wieder eine Lebensperspektive“, sagt er: „Vielleicht ist sie, wie deutsche Ärzte sagen, nicht unmittelbar gefährdet, aber langfristig schon.“

Helfen wollen auch die deutschen Behörden, können es aber nur im Rahmen des Gesetzes, sagt der Landesbeauftragte für Psychiatrie, Heinrich Beuscher, und verteidigt die Ärzte des Humboldt-Krankenhauses. Sie hatten die Finnin, nachdem diese auf der Stadtautobahn angetroffen worden war, behandelt, aber nach einigen Tagen wieder entlassen. Die Betreuung psychisch kranker Menschen ist Ländersache und wird durch ein gesondertes Gesetz (PsychKG) geregelt. Danach können psychisch Kranke gegen ihren Willen nur untergebracht werden, wenn und solange sie sich und andere gefährden. Eben das hatten die Berliner Ärzte verneint.

„Das mag in diesem Fall hart erscheinen“, sagt Heinrich Beuscher. „Aber wenn man weiß, dass jede zweite Frau und jeder dritte Mann in Deutschland einmal im Leben eine schwere psychische Krise durchmacht, wird vielleicht klar, wie wichtig es ist, dass man seelisch Kranke nicht einfach so wegsperren darf.“ Das findet auch Patrizia Di Tolla, die als Referentin für Psychiatrie beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin arbeitet. Sie verweist darauf, dass die Finnin zwar ein spektakulärer, aber kein Einzelfall ist. Es gebe auch in Berlin Obdachlose, die psychisch krank seien und Betreuung ablehnten. „Hier fehlen im Gegensatz zu anderen Ländern leider speziell geschulte Teams, die mit diesen Menschen auf der Straße arbeiten“, sagt Di Tolla. Und hofft, dass der Fall der Finnin die Aufmerksamkeit auf dieses Problem lenkt.

Auch Pfarrer Henttonen hat die Erfahrung gemacht, dass es durch die offenen Grenzen und die Möglichkeit ambulanter psychiatrischer Betreuung immer mehr Menschen wie seine Landsfrau gibt. Für diese könnte der nun bestellte Vormund vielleicht tatsächlich eine Entscheidung treffen. Aus dem Bundesjustizministerium hieß es gestern, die Entstehung eines Betreuungsverhältnisses obliege dem Recht des Staates, dem der Betreffende angehört. Sandra Dassler

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