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Flughafen Tegel: In der Warteschleife

Derzeit wird ein neues Gutachten über die 40-jährige Finnin erstellt, die seit Monaten auf Berlins Flughäfen und Straßen lebt. Der Pfarrer, der sie mehrmals wöchentlich besucht, befürchtet, dass sich ihr Zustand rapide verschlechtert.

Von Sandra Dassler

Sie ist jetzt tagsüber – das schöne, wärmere Wetter mag daran schuld sein – etwas seltener im Flughafen anzutreffen. Ansonsten hat sich nichts verändert: Sie schläft und wäscht sich in den Toiletten, sie lehnt jegliche Hilfe ab und sie wartet immer noch auf das große Glück.

Doch bald könnte sich alles ändern, denn ein neues Gutachten über die 40-jährige Finnin, die seit einem halben Jahr am Flughafen Tegel lebt, ist in Arbeit. Das bestätigte Berlins Gerichtssprecherin Katrin-Elena Schönberg: „Dem Gericht wurde mitgeteilt, dass ein Arzt bereits an dem Gutachten sitzt. Es liegt aber noch nicht vor.“ Ob der Arzt auch mit der Finnin gesprochen oder sie gar untersucht hat, konnte die Sprecherin nicht sagen. Kai Henttonen, der Pfarrer der finnischen Gemeinde in Berlin, bezweifelt das. Denn bislang hat die Frau immer abgelehnt, sich behandeln zu lassen.

Dass sie psychisch krank ist – darüber sind sich die Ärzte in ihrer Heimat und in Berlin einig. Aber die finnischen Mediziner meinen, dass die Frau dringend Medikamente und umfassende Betreuung benötigt, was ihre deutschen Kollegen bestreiten. Nach einem Klinikaufenthalt bescheinigten sie der Finnin Anfang März, dass sie keine Gefahr für sich und andere darstelle und dass sich ihr Zustand durch Medikamente nicht bessern könne. Nach deutschem Recht kann man die Frau gegen ihren Willen weder stationär behandeln noch in ihre Heimat schicken, wohin sie auf keinen Fall möchte. Das zuständige Gericht hat eine Betreuerin benannt, die aber bislang kaum Kontakt mit der Finnin hatte, weil diese sie ablehnt. In ihrer Heimat wurde bereits ein Vormund bestellt, aber alle Bemühungen und Bitten liefen ins Leere: Die deutschen Behörden sahen keine Möglichkeit, der Frau gegen ihren Willen zu helfen. „Die finnischen Ärzte haben jetzt noch einmal ausführliche Behandlungsunterlagen über die Frau nach Deutschland geschickt“, sagt Henttonen. „Vielleicht denken die Ärzte hier ja noch einmal über ihre Diagnose nach.“

Pfarrer Henttonen, der die Finnin mehrmals wöchentlich besucht, ist der Ansicht, dass sich der psychische Zustand der Frau wegen der fehlenden Tabletten rapide verschlechtert. „Ihre Vorstellungen von der Realität, besonders aber von ihren Zukunftsperspektiven werden immer grotesker“, sagt er. „Aber das merkt man nicht, wenn man nur einmal mit ihr spricht. Sie ist ja sehr klug, hoch gebildet. Und sie weiß durch ihre Behandlung in Finnland, was Psychiater hören wollen.“ Auch ihr äußeres Erscheinungsbild sei nach wie vor sehr gepflegt, sagt der Pfarrer. Aber durch ihren zunehmenden Realitätsverlust könne sie sich jederzeit selbst in Gefahr bringen.

Henttonen hat Angst, dass jemand der Frau Versprechungen macht und sie mitnimmt. Der Sprecher der finnischen Botschaft, Leo Riski, ist ähnlich besorgt: „Wir sind der Ansicht, dass die Frau sofort Pflege und Medikamente braucht, und hoffen, dass eine Rückkehr nach Finnland doch noch möglich wird“, sagte er dem Tagesspiegel.

Am 27. April hatte die Berliner Polizei die finnische Frau in Tegel kontrolliert. „Es gab einen Hinweis vom Flughafenpersonal, das sie verdächtigte, einen Heizlüfter mit Papier verstopft zu haben“, sagte Sprecherin: „Doch es kann auch jemand anders gewesen sein. Wir hatten jedenfalls keinen Grund, die Frau nicht wieder gehen zu lassen. Es war alles in Ordnung.“

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