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An der Baustelle des neuen Flughafens BER wird bereits der Dauerbetrieb geprobt - um Fehler bis zum Start zu beseitigen.

© dpa

Flughafeneröffnung: Der Glaube an den Zeitplan

In 33 Tagen soll der neue Flughafen BER an den Start gehen, noch sieht es ganz und gar nicht danach aus. Die Experten bleiben gelassen: „Wir schaffen das“.

Ein wenig ratlos sieht er aus, der Mann, der da im Blaumann auf ein paar leeren Paletten sitzt. Er wiegt den Zauberwürfel in der Hand, hin und her, bevor er wieder an ihm dreht. Da fügt sich noch nichts, die bunten Flächen des Würfels sind durcheinander. Kleine Pause auf der Baustelle des Flughafens „Willy Brandt“. In 33 Tagen soll sich alles gefügt haben und dort, wo die Arbeiter sitzen, die Abflugebene sein, glänzend herausgeputzt, Berlins neues Tor zur Welt. Derzeit aber benötigt man noch viel Fantasie, sich diese wüste Fläche, wo die Schleifmaschinen kreischen und die Luft staubig ist, als funktionsfähigen Airport vorzustellen.

Viel Fantasie oder eine solide Kenntnis des Baugeschehens, so wie sie Ralf Kunkel hat, der Sprecher der Flughafengesellschaft. Dort hinten gibt es die „Ständige Vertretung“, den Ableger der legendären Kneipe am Schiffbauerdamm, hier eine Filiale des Restaurants „Borchardts“ – so weisen Kunkels Arme auf imaginäre Standorte, und selbst für einen Stand mit Bio-Currywurst findet sich in der großen Halle schon ein Plätzchen. Das soll mal die große Shopping Mall werden, hinter den künftigen Gates, wo die Reisenden auf ihren Abflug warten. Das Durcheinander der wuselnden Arbeiter und wild platzierten Kistenstapel heißt „Verkaufsflächen aufbauen“, sagt Kunkel.

„Alles ist im Zeitplan“, fügt er hinzu, weil er wohl den Zweifel in den Augen des Besuchers sieht. Jeder Häuslebauer kennt das Gefühl zwischen Nervenzusammenbruch und tiefster Depression drei Tage vor dem Einzug, wenn das neue Domizil so ausschaut, als würde das nie was werden mit dem geplanten Termin. Nur ist das unvergleichbar mit Ostdeutschlands größtem Investitionsprojekt, wo über 7000 Arbeiter damit beschäftigt sind, in einem beispiellosen Endspurt bis zum 3. Juni einen Airport zum Fliegen zu bringen. Und jeder weiß, dass es keine Alternative geben kann – weil die Logistik viel zu komplex ist, um jetzt noch den Start zu verschieben. Die Airlines haben den neuen Flughafen schon im Programm, der Umzugscountdown läuft für den alten Flughafen Tegel, wenn in einer Nacht sämtliche Technik inklusive Feuerwehren und Tankfahrzeuge nach Schönefeld verlegt werden.

Do or die, heißt es in der Finalrunde beim Basketball, wenn es um alles geht; und ein wenig so ist es auch hier unter der hohen Decke der riesigen Halle. Dafür geht es bemerkenswert ruhig zu. Denn wohin man auch schaut – nichts, so scheint es, ist wirklich fertig. Vor den Rolltreppen fehlen die Bodenfliesen, an den Wänden die Paneele, um die wild wuchernden Kabelstränge dahinter zu verbergen, und die Bierbar in der Abflugebene, die einen weiten Blick über das Rollfeld hinüber zum alten Flughafen Schönefeld bietet, ist nur eine wortreich ausgemalte Leerstelle. In den Gängen werden Rohre gestrichen, die irgendwann hinter Gipswänden verschwinden werden, die riesige Gepäcksortieranlage döst noch wie ein schlafender Drache, und in der Eingangshalle schrauben Mechaniker an Durchgangssperren herum. Auch das riesige Kunstwerk, das hoch oben unterm Hallendach schweben wird, ist erst halb fertig. „Fliegender Teppich“ heißt das knallrote Gebilde, dessen Teile sich noch erdenschwer auf dem Boden stapeln.

Dennoch ist der Airport, in dessen Hauptgebäude das Olympiastadion hineinpassen würde, längst in Betrieb. Immer wieder hasten Reisegruppen mit Koffern vorbei, stehen Schlangen vor den kirschholzgetäfelten Abfertigungsschaltern und melden Dutzende von großen Bildschirmen den Abflug von Maschinen in alle Welt. Noch aber haben alle Reisende neongelbe Schutzwesten an und Helme auf dem Kopf, noch sind die Tausende von Koffern abgeschabte, verbeulte und verstaubte Requisiten, noch fahren die Flugkapitäne statt in Großraumjets mit VW-Bullis über die Landebahnen, um die neuen Wege zu trainieren. Auch der neue Tower ist schon in Betrieb, wenngleich er noch den Verkehr des alten Flughafens Schönefeld überwacht. Und noch freuen sich die Techniker über jeden Ausfall eines Computers, jede Panne beim Einchecken, jeden fehlgeleiteten Koffer und jedes nicht entdeckte Messer im Handgepäck, weil es hilft, die Abläufe zu optimieren. Und 700 Mitarbeiter sind rund um die Uhr damit beschäftigt, den Staub eines sechsjährigen Baubetriebs wegzufeudeln.

In der Abflughalle kann man sich noch am ehesten vorstellen, dass hier nach sechsjähriger Bauzeit bald fliegerischer Alltag herrschen wird. Man kann aber darauf wetten, dass am 24. Mai, wenn der Flughafen von der Bundeskanzlerin offiziell eröffnet wird, acht Tage vor Beginn des Flugbetriebs, noch vieles ein Potemkinsches Dorf sein wird. Vorne wird gefeiert, doch in den Katakomben und diversen Ebenen wird wohl unverdrossen gearbeitet, immer im Wettkampf gegen die Uhr. Oder den Flugplan. Noch 33 Tage.

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