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Die Forderung der Initiativen nach einem generellen Nachtflugverbot war im Oktober vor dem Bundesverwaltungsgericht gescheitert.

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Update

Verkehrsministerium blockiert: Fluglärm-Gutachten bleibt unter Verschluss

Das Verkehrsministerium blockiert eine Veröffentlichung der Studie des Umweltbundesamtes. Dennoch sehen sich die Flugroutengegner bestärkt - und ihr Protest wird wieder stärker.

Das neue Gutachten des Bundesumweltamtes (UBA) zur Lärmbelastung rund um den neuen Hauptstadtflughafen in Schönefeld bleibt wegen handfester Differenzen mit dem Bundesverkehrsministerium vorerst unter Verschluss. Die Behörde musste die für den Dienstag angekündigte Vorstellung des Berichts in Berlin auf Druck des Ministeriums absagen. Erst am Montagabend kurz vor 19 Uhr teilte ein Sprecher der Behörde, die dem Bundesumweltministerium unterstellt ist, mit, dass die Pressekonferenz „Lärmfachliche Bewertung des Flughafens Berlin Brandenburg“ (BER) ausfällt. Bis dahin wurde hinter den Kulissen darum gerungen, wie mit den bereits am Wochenende durch Medienberichte bekannt geworden Papier umgangen wird.

Nach Tagesspiegel-Informationen will das Umweltbundesamt sein Gutachten öffentlich machen, das Argumente der Flugroutengegner stützt und ein komplettes Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr fordert. Dagegen sträubt sich das von Peter Ramsauer (CSU) geführte Bundesverkehrsministerium. Zwar wurde der 150-Seiten- Bericht dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung, das dem Verkehrsministerium untersteht und am 26. Januar seine Entscheidung über den Verlauf der Flugrouten für den Start des BER verkünden will, fristgerecht vorgelegt. Doch das Verkehrsministerium blockiert die Herausgabe. „Die Gespräche darüber halten an“, hieß es aus dem Umweltbundesamt. Einen neuen Termin gibt es noch nicht.

Das Einschreiten des Verkehrsministeriums bietet Anlass für Spekulationen, zumal die Umweltbehörde kein Vetorecht hat. Einerseits hatte Minister Ramsauer stets Verständnis für den massiven Protest der Fluglärmgegner geäußert. Anderseits liefert ihnen das UBA neuen Zündstoff, der juristisch und politisch brisant ist. Die Behörde befand, dass die bisherigen Routenvorschläge der Deutschen Flugsicherung der komplexen Besiedlungsstruktur rund um den BER nur unzureichend gerecht werden.

Obgleich es offiziell noch unter Verschluss bleibt, gibt das neue Gutachten den Flugroutengegnern schon jetzt neuen Auftrieb. Bei der traditionellen Montagsdemonstration am Abend in Friedrichshagen zeigten sich viele der rund 2000 Teilnehmer kämpferisch, die geplante Flugroute über den Müggelsee unter allen Umständen zu verhindern. „Die Stellungnahme des Bundesumweltamtes stimmt uns zwar sehr zuversichtlich“, sagte der Sprecher der Initiative, Ralf Müller. „Schließlich wurde mit der Ablehnung der Müggelseeroute und der Zustimmung zum Nachtflugverbot zwischen 22 und 6 Uhr zwei wichtigen Forderungen entsprochen. Aber wir bleiben skeptisch, denn das letzte Wort über die künftigen Flugrouten von und nach Schönefeld spricht bekanntlich die Flugsicherung.“ Zu diesem Zeitpunkt wussten die Demonstranten noch nichts von der Absage der Präsentation.

In der Berliner Politik wurde das kritische Votum des Umweltbundesamtes am Montag positiv aufgenommen – unabhängig von der Frage, welchen Einfluss das Votum hat. „Wenn die Bundesbehörden die Möglichkeit sehen, noch mehr Menschen vor Lärm und Belästigung zu schützen, dann kann ich das nur begrüßen und unterstützen“, sagte Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD). Auch die Verkehrsexperten von CDU, Linken und Grünen begrüßten das UBA-Gutachten.

Die Lärmschutzexperten des Umweltbundesamtes kritisieren das eingeschränkte Nachtflugverbot und die geplanten Flugrouten über Wannsee und Müggelsee. Die Nachtflugregelung sei gerichtlich entschieden, sagte hingegen Senator Müller. Da gebe es keine Spielräume mehr für Änderungen. Ähnlich äußerte sich CDU-Verkehrsexperte Oliver Frederici. Nur Harald Moritz von den Grünen will das Nachtflugverbot am Donnerstag mit einem Antrag im Abgeordnetenhaus erneut thematisieren.

Brandenburgs Infrastrukturstaatssekretär Rainer Bretschneider, der als Leiter der Planfeststellungsbehörde in den 90er Jahren die Pläne für den Hauptstadtflughafen verantwortet hat, bekräftigte die Position der rot-roten Landesregierung in Brandenburg, die ein durchgängiges Flugverbot ablehnt. „Die Haltung des Umweltbundesamtes ist nicht neu“, sagte er.

Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung in Langen (BAF) prüft derzeit die Vorschläge der Deutschen Flugsicherung (DFS). Dazu dient das neue Gutachten des Umweltbundesamtes. Zwei Bundesbehörden und ein bundeseigenes Unternehmen (Flugsicherung) agieren also untereinander, und zwar unabhängig von Weisungen der übergeordneten Ministerien – der Theorie nach. In der Tat werden Medienanfragen von der BAF derzeit an das Bundesverkehrsministerium weitergeleitet.

Dort erklärte ein Sprecher, dass die Flugrouten „nach einem am 26. Januar verkündet werden. Auch die Fluglärmkommission befasst sich schon am 30. Januar mit den neuen Routen. Das Umweltbundesamt war bislang nicht in den Planungsprozess des Flughafens involviert. Die späte Stellungnahme kurz vor der Festlegung der Flugrouten wird in der Behörde selbst als „problematisch“ erachtet. Das Gutachten sei bisher einmalig in der Geschichte der deutschen Flughafenplanung, weil es ein „komplettes Flugroutensystem“ bewerte, sagte ein UBA-Sprecher.

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