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Moment mal. „Die ersten Bilder haben eine besondere Ausstrahlung“, sagt Fotograf David Biene, „der Glanz in den Augen ist anders.“ 120 solcher Bilder hat er in Berlin schon gemacht, zum Beispiel dieses des US-Rapper Wiz Khalifa.

© David Biene

Fotograf David Biene: Hinter dem Rampenlicht

Gehen Musiker nach dem Konzert von der Bühne, ist er da: Fotograf David Biene hält den Augenblick fest, wenn das Adrenalin nachlässt.

David Biene drückt ab, wenn die Fassade gerade in sich zusammenfällt. Eben noch, zehn Sekunden zuvor vielleicht, da stand sie noch. Da sprangen, brüllten, performten sie im Licht der Scheinwerfer: Die Musiker, voller Adrenalin, im Rausch, beobachtet von Tausenden. Und jetzt? Nichts mehr von all dem. Entblößt. Alles herum vergessen. Hautnah, verschwitzt, still, überwältigt, frei. Biene porträtiert Musiker unmittelbar nach dem Konzert. Wenn die letzte Zugabe gespielt wurde und die Künstler von der Bühne gehen. Er will die Essenz zeigen, die Echtheit, das was übrig bleibt, wenn man nicht nachdenkt und einfach nur ist.

„Wenn ich hinterher die Bilder ansehe, merke ich, dass die Energie sehr schnell verfliegt. Die ersten zwei Bilder haben eine besondere Ausstrahlung, der Glanz in den Augen ist anders“, sagt David Biene jetzt in seiner Weddinger Altbauwohnung. Er sitzt barfuß da, weißes Shirt, dunkle Hose, unter der Kleidung blitzen zahlreiche Tattoos hervor. Biene ist zurückhaltend, fast schon schüchtern. Er schätzt die Einsamkeit des stillen Beobachters mehr als die Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wird. „Ich tue mich noch etwas schwer damit, mich Künstler zu nennen.“ „David ist ein herausragender Künstler“, lobt dagegen der Galerist Thorsten Heinze. In dessen Seven Star Gallery in Mitte sind Bienes Bilder ab Donnerstag einen Monat lang zu sehen. Vor abgeschlagenen Ziegelwänden und über unbehandelten Holzböden schwebt hier noch immer der Geruch der ehemaligen Holzofenbeheizung. Bilder von internationalen Künstlern wie Joachim Baldorf oder Donata Wensers hingen schon in den Räumen des ehemaligen Bordells.

Nun also auch Biene. „Das Echte, das Unverfälschte ist das, was mich am meisten bei Menschen berührt. Darum versuche ich es einzufangen.“ Wenn er spricht, schweift er im Geiste zu seinen Aufnahmen und den Geschichten dahinter ab. Dann blickt er wieder durch die Kamera und versucht in Worte zu fassen, was er sonst durch Bilder ausdrückt. „In seinem Gesicht sehe ich alle Facetten an Emotionen“, sagt Biene über das leuchtend rote Bild an der Wand hinter ihm. Es zeigt überlebensgroß das Porträt von Soulsänger Charles Bradley, das fast aus dem Konzept der Porträtreihe gefallen wäre: „Er ist nicht direkt nach dem Konzert zu mir gekommen. Weil er nicht kommen konnte“, erzählt Biene. Nach einem Blick ins Publikum war klar warum: „Bradley ist nach dem Konzert ins Publikum gegangen und hat mindestens in den ersten zehn Reihen fast jeden Besucher umarmt. Weil er einfach so unendlich dankbar und glücklich war.“

Bradley war über 60, als er seine erste Platte aufnahm. Bis dahin sang er Coverversionen von James Brown. Irgendwann seine eigenen Songs spielen zu können, war sein Lebenstraum. „Man hat das Gefühl, dass bei jedem Konzert, das er spielt, dieser Traum wieder in Erfüllung geht. Als Bradley danach zu mir kam, war er völlig überwältigt und ergriffen. Man sieht ihm diese Energie an, die Begeisterung, aber auch die Erschöpfung und die Leidenschaft“, sagt Biene. „Und in dieser Größe wirkt das noch mal krasser.“ 160 mal 160 Zentimeter groß hängt das quadratische Bild da.

Biene fotografiert seine Porträts ausschließlich mit einer analogen Hasselblad, „einer der klassischsten Kameras überhaupt.“ Die Mittelformatkamera belichtet auf sechs mal sechs Zentimetern, maximal zwölf Bilder passen auf einen Film. Biene hat sich selbst die Grenze gesetzt, nie mehr als einen Film vollzumachen, meistens reichen ihm aber sechs Schüsse. „Man kann damit nicht wie bei einer Digitalkamera Dauerfeuer geben. Dadurch entsteht eine Situation, bei der man sich wirklich aufeinander einlassen muss“, sagt der Fotograf. „Man ist nicht schwerfällig, aber ich habe diese Beliebigkeit vom Digitalen nicht.“ 2005 nahm er das erste Porträt dieser Art auf, die meisten seiner mittlerweile über 120 Bilder entstanden in Berlin. Es geht darum, die Energie einzufangen und das Natürliche. „Sobald sich der Künstler nach dem Konzert schon mit jemandem unterhalten hat, ist der Moment weg. Es fehlt dann etwas in den Augen.“ Vollkommen im Hier und Jetzt und doch entrückt durch den Rausch. „Es ist vielleicht ein bisschen so wie nach einem Orgasmus.“

Die Bilder zu sehen vom 6. Oktober bis 5. November, jeweils von 15 Uhr bis 19 Uhr in der Seven Star Gallery, Gormannstraße 7, Mitte. Weitere Informationen unter: www.7starberlin.com

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