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Doppelt hält mal. Michael Müller (l.) und Raed Saleh machten bei der Fraktionsklausur in Erfurt auf Harmonie.

© arifoto/dpa

Müller und Saleh: Die Berliner SPD rauft sich zusammen

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller und der SPD-Fraktionschef Raed Saleh machen auf Harmonie. Doch in der SPD-Fraktion bleibt Misstrauen.

Von Sabine Beikler

Freie Radikale können gefährliche Kettenreaktionen auslösen. Sie sind reaktionsfreudig, entreißen anderen Molekülverbindungen Elektronen und verwandeln sie ebenfalls in freie Radikale. In der Berliner SPD-Fraktion fliegen zurzeit einige freie Radikale herum, deren Bindungskräfte zu ihrem Fraktionschef Raed Saleh abnehmen. Dessen Kuschelkurs zum Regierenden Bürgermeister und Parteichef Michael Müller wurde von Salehs Kritikern auf der Klausurtagung der SPD-Fraktion in Erfurt zwar wohlwollend zur Kenntnis genommen. Aber ein Quentchen Misstrauen bleibt. Der 39-jährige Fraktionschef hatte sich im Parlament in seiner Rede gegen die vom Senat beschlossene Sicherheitspolitik gewandt und forderte statt einer temporären Videoüberwachung eine Überwachung an kriminalitätsbelasteten Orten. Und er benutzte den populistischen Begriff „Gastrecht“ im Zusammenhang mit Flüchtlingen und erhielt Beifall von CDU und AfD. Es hagelte Kritik von einigen Kreisvorsitzenden und von den Koalitionspartnern.

Saleh hat keine Mehrheit mehr in der Fraktion

In der Fraktion gab es teils klare Zustimmung, teils Kritik - nicht am Inhalt, sondern am Zeitpunkt seiner Rede unmittelbar nach Müllers Regierungserklärung. Doch es sind weiterhin Fraktionsmitglieder zu hören, die Saleh einen nur auf seine persönliche Profilierung abgestimmten Kurs vorwerfen. Einer, der nicht zu Salehs Kritikern zählt, sagte, der Fraktionschef müsse sich „ein bisschen mehr zurücknehmen“. Im Gegensatz zur vergangenen Legislaturperiode hat Saleh keine Mehrheit mehr in der 38-köpfige Fraktion, in der elf neue Abgeordnete sind – neben den beiden Senatoren Andreas Geisel und Matthias Kollatz-Ahnen, die ein Mandat erhielten. Saleh und Müller betonten mehrfach, zwischen ihnen würde kein Blatt Papier mehr passen. Die beiden sind Profis genug zu wissen, wie sie mit dem Spielen verschiedener Rollen Erfolg haben. Zurzeit stellt auch niemand die Machtfrage in der SPD.

Die Grünen-Landesspitze wurde ausgetauscht

Vielmehr kümmert die Genossen der Zustand ihrer Koalitionspartner. Der SPD sind die Gesprächspartner, die sie in den Koalitionsgesprächen hatte, abhanden gekommen. Die grüne Landesspitze wurde ausgetauscht, statt des eingespielten Teams Daniel Wesener und Bettina Jarasch sind nun die aus der Bezirkspolitik kommenden Chefs Nina Stahr und Werner Graf die Ansprechpartner. Müller hält sich bei Absprachen an Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne). Pop zählt zum Realo-Lager, das an Einfluss verloren hat. Die Parteilinke hat mit 16 Abgeordneten in der 27-köpfige Fraktion die Mehrheit übernommen. Erstaunt ist die SPD-Spitze auch über das dürftige Krisenmanagement bei den Linken. Müllers Ansprechpartner ist Kultursenator Klaus Lederer. Nur ist Lederer nicht mehr Parteichef, sondern Katina Schubert. Wie die Partei künftig in kritischen Situationen wie der Causa Andrej Holm reagiert, welchen Einfluss die Basis auf die Parteispitze hat, wird die SPD registrieren. Auch bei den Linken schwirren freie Radikale herum. Die können weitaus gefährlicher als die sozialdemokratischen werden.

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