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Berlin: Frank Brose (Geb. 1944)

Ertönte die Sirene, musste er nur auf die andere Seite des Weges laufen.

Am 4. August 2007 wird Frank Brose, Leiter der Freiwilligen Feuerwehr Staaken, zu Grabe getragen. Der Zug bewegt sich von der Dorfkirche zum Friedhof in der Heerstraße, ein Kilometer. An der Spitze fährt ein Feuerwehrauto, darauf sechs Feuerwehrmänner in dunkelblauen Anzügen, weiße Bänder über der Brust. Das Auto zieht einen Anhänger mit dem Sarg. Am Holz rankt Efeu. Darin ein Herz aus weißen Rosen, zwei einzelne rote Rosen in seiner Mitte, eine für Rosi, Franks Frau, eine für Daniel, den Sohn. Rosi und Daniel sitzen in einem Auto hinter dem Sarg. Ihnen folgen der Präsident des Feuerwehrverbandes, der Berliner Landesbranddirektor, der Bezirksbürgermeister. Dann 400 weitere Menschen.

Er hatte Charakter, sagen die Leute der Gartenstadt Staaken. Ein Dorf im Dorf ist die Gartenstadt, zweistöckige Häuser nach holländischem Vorbild in geschwungenen Straßen, ein Gärtchen vor jeder Tür, alles unter Denkmalschutz. Hier lebten Franks Eltern. Hier lebte Frank mit Rosi. Hier lebt Franks Sohn. Schaute Frank aus dem Küchenfenster, sah er das Gebäude der Freiwilligen Feuerwehr. Ertönte die Sirene, musste er nur auf die andere Seite des Weges laufen.

Und Rosi? Frauen, meinten die Männer, haben viel zu schwache Nerven, sind nicht gemacht für das gefährliche Feuerwehrleben. Während eines Festes überreichen einige Frauen ihren Feuerwehrmännern Kochtöpfe. „Wir wollen nicht hinter dem Herd stehen, wir wollen mitmachen“, erklärt Rosi. „Wie meinen Sie das, Frau Brose?“ fragt der anwesende Landesbranddirektor Seidel. – „So, wie ich es gesagt habe.“ – Herr Seidel lächelt: „Wie viele Frauen, die das auch wollen, hamse denn?“ – „Na, zehn“, schwindelt Rosi. „Gut, dann trommelnse ihre zehn Frauen mal zusammen.“ Rosi holt tief Luft, geht zur Bäckerin, zu einer Kollegin im Friseursalon, zu Freundinnen. Überzeugt sie alle. Frank spricht mit Herrn Seidel. Seit Juni 1979 gibt es in West-Berlin Frauen bei der Freiwilligen Feuerwehr.

Ein ähnliches Gespräch findet einige Jahre zuvor statt: „Wir sollten eine Jugendfeuerwehr haben.“ drängt Frank. „Nein“, sagt Herr Seidel, „Pimpfe und Uniform, das möchte ich nicht.“ Frank gründet dennoch über einen Förderverein eine Jugendgruppe. Herr Seidel ist beeindruckt von den jungen Menschen. 1978 nimmt die erste Jugendfeuerwehr in West-Berlin ihren Dienst auf.

Es gibt eine Feuerwehr ganz in der Nähe. Man weiß nicht viel voneinander. Seit 1961 verläuft mitten durch Staaken die Mauer. 1985 sitzt Frank mit zwei Freunden bei einem Bier. „Vielleicht in 50 Jahren wird’s ’ne Wiedervereinigung geben“, sagt der eine. – „Na ja, ick sage mal in 40“, hält der andere dagegen. – „Ich wette um 200 Mark“, sagt Frank, „dass es nur zehn Jahre sind.“ Am 9.November 1989 gehen die drei gemeinsam feiern. Mit 200 Mark. Am 9. November 1991 werden die Feuerwehren Staaken-Ost und Staaken- West zusammengeführt.

2005 stellt man den Krebs fest. Frank hört auf zu arbeiten. 40 Jahre bei „Bilfinger und Berger“, Maschinenmeister, Betriebsratsvorsitzender. Immer hat er sich eingesetzt für die Kollegen. Jetzt ist er schwach. Macht dennoch weiter bei der Feuerwehr, als sei die Krankheit ein Hirngespinst der Ärzte. Dann muss Frank ins Krankenhaus. Rosi und Daniel sind bei ihm, Tag und Nacht. Einer bleibt immer wach. Am Morgen des 24. Juli schlafen beide ein, kurz nur. Als sie aufwachen, lebt Frank nicht mehr. „Er wollte“, sagt Daniel, „dass wir uns ausruhen. Ich weiß es genau.“ Tatjana Wulfert

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