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Berlin: Frauenbeauftragte in Neukölln: Die Frau für alle Fälle

Frauenbeauftragte - das Wort will nicht recht passen zu der quirligen Person, die da am Kaffeehaustisch über Emanzipation im einstigen Industriebezirk parliert, dass man(n) die Ohren anlegt. Oder doch?

Frauenbeauftragte - das Wort will nicht recht passen zu der quirligen Person, die da am Kaffeehaustisch über Emanzipation im einstigen Industriebezirk parliert, dass man(n) die Ohren anlegt. Oder doch? Die knallrote Strubbelfrisur, der noch rötere Lippenstift, prägende Erlebnisse: "Klar, damals war das Revolte, wenn alle Frauen der Selbsterfahrungsgruppe nackt in den See beim Tagungshaus gesprungen sind." Und dann passt es doch wieder nicht: Lila Latzhosen hat Renate Bremmert, 52, nie getragen, vom Dasein als "Heimchen am Herd" keine Rede. "Ach was, ick kann doch gar nicht kochen" Still ruhe das Klischee! Eher wirkt sie wie die emsige Leiterin eines aufstrebenden Betriebes. Immer im Dienst der Sache, dabei mit Charme und Spaß am Repräsentieren. Mit 15 Jahren im Amt ist sie die dienstälteste Frauenbeauftragte Berlins - Lobbyistin in Sachen Frauenleben in Neukölln. Das passt schon eher.

"Gearbeitet habe ich immer". Zuerst als Angestellte der Volkshochschule des Bezirks. Dann, schon mit 25, als Geschäftsführerin. Politisch aktiv war sie in der SPD - seit sie 20 ist. Also seit 1968. Es kamen die Zeiten, als die Frage nach der Mobilisierung der Arbeiterklasse mitunter an der Abwaschfrage scheiterte. Das erste Kind, die erste Trennung, Vorwürfe, Rollenkonflikte, das schlechte Gewissen als arbeitende Alleinerziehende, Selbsterfahrung, Kampf um Öffentlichkeit, um Anerkennung - Erlebnisse, die viele ihrer Generation geprägt haben. Für sie selbst auch Voraussetzungen, die zu diesem Beruf befähigen. Sie hat viele Seiten, sagen andere über sie.

Parteipolitik macht sie heute nicht mehr. Aber dass sie so manchen Bezirkspolitiker um den Finger wickeln kann, ist nicht zu übersehen. "Na ja, ich kann durchaus Kompromisse machen", sagt sie. Und es kommt vor, dass sie dabei für kurze Augenblicke, gekonnt kokettiert, Schnute zieht, Wimpern senkt. Daran ist noch am ehesten zu merken, dass sie Zeiten erlebt hat, in denen die sprichwörtlichen Waffen der Frauen nach alter Schule eingesetzt werden mussten. Nötig hat sie dergleichen längst nicht mehr.

Hartnäckig nennen Renate Bremmert manche. Wichtig ist, was sie durchgesetzt hat. Dass etwa mitten im Herzen des historischen Neuköllns, mitten auf dem Richardplatz ein renoviertes Dorfhaus steht, in dem Männer keinen Zutritt haben. Seit zehn Jahren gibt es jetzt den Frauentreffpunkt Schmiede. Es ist der einzige dieser Art in bezirklicher Verwaltung.

Für die Herren der Schöpfung war das Hausverbot zuerst eine Provokation. Dass ein geschützter Raum für Gespräche, Seminare, Beratung noch lange nötig sein wird, daran lässt die tägliche Arbeitserfahrung von Renate Bremmert indes keinen Zweifel: "Geschlagen wird noch immer!" Häusliche Gewalt gegen Frauen gibt es in allen sozialen Schichten, betont sie. Doch Arbeitslosigkeit und zunehmender sozialer Druck haben die Probleme in Neukölln nicht eben verringert. Die beiden Zufluchtswohnungen, die auf ihr Betreiben eingerichtet wurden, sind immer belegt.

Andere Erfolge bleiben zu nennen. Zuletzt die Einrichtung eines Neuköllner Frauenwirtschaftszentrums in der Hermannstraße. Zuvor, 1996, setzte sie durch, dass die Straßenschilder eines ganzen Stadtviertels in Rudow nur Frauennamen tragen. "Vorher waren es von 650 Straßen in Neukölln gerade mal acht." Auch das ist Geschichte.

Ole Töns

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