zum Hauptinhalt
Daniel Barenboim dirigiert auf dem Bebelplatz

© dpa

Freiluft-Konzerte in Berlin: Daniel Barenboim dirigiert am Bebelplatz

Daniel Barenboim dirigiert auf der Baustelle des Schlosses, während sich andere die technischen Details erklären lassen. Da haben es die Chöre am Gendarmenmarkt schwer. Viele Berliner waren am Sonntag im Freien unterwegs.

Nein, es hat gerade keine Fanmeile eröffnet: Dass am Sonntag in Mitte so viele Passanten mit Klappstuhl unter dem Arm unterwegs waren, hatte eher musikalische Gründe. Die meisten Stuhlträger zog es zum kostenlosen Konzert der Staatsoper mit Daniel Barenboim: Als um 13 Uhr das Vorspiel zu „Die Meistersinger von Nürnberg“ erklingt, drängen sich bereits tausende Besucher auf dem Bebelplatz direkt neben der Baustelle der Staatsoper – rund 60 000 Menschen waren im Vorjahr gekommen, ein Abwärtstrend ist an diesem Sonntag kaum erkennbar. Das liegt wohl auch am Dirigenten. „Barenboim ist eine Institution für sich“, schwärmt Katja Müller. Die Berlinerin hat es sich zusammen mit Freunden unweit von der Bühne gemütlich gemacht, wo das Grüppchen gut gelaunt um einen mitgebrachten Tapeziertisch sitzt, der sich unter den vielen Knabbereien, Obst, Wein und Würstchen biegt.

Während die mehr als 100 Musiker der Staatskapelle unter einer großen Plastik-Kuppel spielen dürfen, haben die meisten Besucher keine Angst vor den dunklen Wolken, die von ferne am Himmel vorüberziehen. „Wir sind robust“, sagt Geographiestudent Lars Conrad und zeigt auf seine kurze Hose. Der 26-Jährige ist zum ersten Mal bei „Staatsoper für alle“ und findet das Konzept toll: „Man kann einfach ganz leger hingehen, ohne auf Dresscodes achten zu müssen.“ Wie viele andere hat auch er seinen Klappstuhl und ein kleines Picknick mitgebracht. Besonders freut Conrad sich auf den Abschluss des Konzerts: „Die siebte Symphonie von Beethoven ist meine liebste.“ Und das Wetter hält auch, was will man mehr.

Das Konzept scheint aufzugehen. Im Publikum finden sich zahlreiche Besucher, die in Konzerthäusern eher selten anzutreffen sind. „Wir sind eigentlich keine klassischen Konzertgänger, aber hier sind wir schon zum vierten Mal“, sagt die 44-jährige Conny Radtke, die mit ihrer Mutter etwas weiter hinten Platz genommen hat. Sie freut sich, dass hier ganz unterschiedliche Menschen zusammen kommen: „Für viele ist ein richtiger Opernbesuch ja auch gar nicht erschwinglich.“ Für sie seien aber auch die jedes Jahr neuen, oft überraschenden Solisten ein Grund, immer wieder zu kommen. Diesmal ist es die georgische Violinistin Lisa Batiashvil, die vor wenigen Wochen ihr Berlin-Debüt gegeben hatte.

Angesichts der Baustelle lässt sich Staatsopern-Intendant Jürgen Flimm weit über den Köpfen der Menschen zu einigen Witzeleien hinreißen. Hier oben auf der Dachterrasse des Hotel de Rome hatte BMW zu einem Champagnerempfang geladen – für solche, deren Sache der Klappstuhl eher nicht ist. Die Staatsoper vor seinen Augen nennt Flimm nur „der Bau“ und bittet die Gäste: „Schicken Sie gute Vibrations rüber und sagen Sie immer wachse, wachse, wachse.“ Nun ja, immerhin sei Daniel Barenboim gekommen, der sei ja eigentlich gerade in Mailand. „Aber er hat wie kein anderer die Gabe, an mehreren Orten gleichzeitig zu sein.“

Angesichts der großen Namen am Bebelplatz hatte es das Konzerthaus am Gendarmenmarkt wenige Meter vergleichsweise schwer mit seinem zweitägigen Tag der offenen Tür. Nur etwa 600 Menschen kamen zur öffentlichen Chor-Probe am Morgen. Dafür gab es hier etwas mehr Platz bei entspannter Sonntagsatmosphäre, auch wenn manche den geringen Zulauf bedauerten. 200 Sängerinnen und Sänger aus 15 Berliner Chören gaben auf der Freitreppe des Konzerthauses Evergreens von Wagner, Weber und Mendelssohn-Bartholdy zu Besten. „Bei der Akustik muss man im Freien natürlich Abstriche machen, aber die Kulisse ist einfach toll“, sagte Bernd Scholz. Anders als auf dem Bebelplatz waren er und seine Frau mit ihren Klappstühlen hier die Ausnahme, die meisten Zuschauer standen. Dirigent Carsten Albrecht passte das ganz gut. „Sie stehen alle auf der falschen Seite“, scherzte der Musikpädagoge Richtung Publikum, das sich erst mal aufwärmen und Arme, Beine und Po ausschütteln soll. „Ich sehe da viele begabte Tänzer.“

Viele zog es danach weiter in Richtung Bebelplatz, wo sich Konzertliebhaber und Baustellenbesucher munter mischen. Denn direkt nebenan kann an diesem Sonntag die Fläche besichtigt werden, auf der gerade das Berliner Schloss entsteht. Staus in dem Gitterweg, der die Interessierten durch die Baugrube leitet, gibt es aber nicht. Kleine Trauben bilden sich um die behelmten Bauexperten, die gerne Fragen beantworten; vor allem männliche Besucher erkundigen sich ausgiebig nach technischen Details. „Wir wollten den Grundstein sehen und wissen, wie das Druckverhältnis zu den umliegenden Gebäuden gelöst wurde“, sagt der 71-jährige Volkhard Lange, selbst Spender für die künftige Stadtschloss-Fassade.

Warum nicht danach noch rüber zum Konzert? Wer jetzt noch einen Stuhl braucht – kein Problem: Mehrere Stände verkaufen die Klappmöbel zum Mitnehmpreis von 15 Euro.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false