zum Hauptinhalt
Cengiz Demirci hatte keine Lust mehr auf Hannover. Jetzt ist er Manager für den Görlitzer Park.

© Thomas Loy

Update

Friedrichshain-Kreuzberg: Der Görli wird jetzt gemanagt

Cengiz Demirci soll die Konflikte im Görlitzer Park entschärfen. Er hat sich unter 76 Bewerbern durchgesetzt. Mitte November fängt er an.

Ein netter Typ, kommunikativ, in Jeans und Pulli, 43 Jahre, alleinerziehend in einer Patchwork-Familie, türkische Wurzeln. Cengiz Demirci passt gut nach Berlin, besser noch nach Kreuzberg. Deshalb haben sie ihn dort jetzt zum Manager für den Görlitzer Park ernannt. Mitte November soll er anfangen, am Mittwoch stellte ihn sein Chef, Baustadtrat Hans Panhoff (Grüne), der Presse vor. Die Suche nach dem richtigen Bewerber hat lange gedauert, auch, weil es eine ähnliche Position bislang in Deutschland nicht gebe, sagte Axel Koller, Leiter des Grünflächenamtes. 76 Bewerber hatten sich gemeldet, ins Job-Casting gingen schließlich nur sieben. Am Ende überzeugte Demirci, weil er gut reden konnte und authentisch rüberkam. Demirci hat Arbeits- und Organisationssoziologie studiert und arbeitet zurzeit als Stadtteilmanager am Mierendorffplatz in Charlottenburg. Vor drei Jahren kam er aus Hannover nach Berlin, weil ihm die niedersächsische Landeshauptstadt „zu konservativ“ war. Dort hätten Migranten kaum eine Chance aufzusteigen.

Demirci soll in den nächsten Jahren für ein gutes Miteinander im Görlitzer Park sorgen und das bereits erarbeitete Handlungskonzept umsetzen. Als Erstes werde er einen „Parkrat“ aus möglichst vielen Initiativen, Anwohnern und Parknutzern bilden. Der Parkrat werde dann nach „gemeinschaftlichen Lösungen“ für die wichtigsten Probleme im Park suchen, auch für das allerwichtigste, den illegalen Drogenhandel. Demirci stellte klar, dass er dabei auch "die Problemverursacher", also die Dealer, "mit ins Boot holen" wolle. Damit liegt er ganz auf der politischen Linie im Bezirk.

Hans Panhoff versteht den Görli nicht als bloße Grünfläche, sondern als sozialen Raum, als sozialpolitische Aufgabe. Mithilfe von Sozialarbeitern möchte er Dealer aus der Drogenszene herauslotsen. Dazu liege bei der Senatssozialverwaltung bereits ein Förderantrag für „aufsuchende Sozialarbeit“ vor, sagte Panhoff. Außerdem werde im nächsten Jahr ein Team von Parkläufern installiert, die zwischen den Nutzern im Park vermitteln und auf Verhaltensregeln hinweisen sollen. Regelmäßig sollen zwei Parkläufer vor Ort ansprechbar sein. Der Bezirk will Parkmanager und -läufer aus eigenen Mitteln bezahlen. In den nächsten zwei Jahren rechnet Grünflächenchef Koller mit zusätzlichen Ausgaben für den Görlitzer Park von einer halben Million Euro.

In einer wissenschaftlichen Studie hat sich die Ethnologin Franziska Becker den Görlitzer Park mal genauer angesehen. Sie fand heraus, dass vor allem türkische und arabische Frauen den Park meiden, aus Angst vor den „Westafrikanern“, die bestimmte Wege dominieren. Auch viele Kinder können den Park nicht zum Spielen oder als Schulweg nutzen, weil ihre Eltern es ihnen verboten haben. Becker sprach auch mit einigen Dealern. Darunter seien viele Lampedusa-Flüchtlinge, die in Berlin kein Asyl beantragen können. Die Männer aus Gambia, Senegal und Mali würden mit dem Geld aus dem Drogenhandel ihre Familien zu Hause unterstützen.

Die Polizei, so wünschen es sich die Anwohner, sollte weniger Razzien unternehmen, dafür aber regelmäßig Streife laufen und Präsenz zeigen. Letztlich bleibe es Aufgabe der Polizei, den Handel selbst zurückzudrängen und die Hintermänner aufzuspüren, erklärte Panhoff. Eine Mitarbeiterin vom Verein Fixpunkt, der sich um Drogensüchtige kümmert, wies die Vermutung zurück, die Dealer gehörten zur organisierten Drogenkriminalität. Der Verdienst eines Händlers liege nur bei zehn Euro am Tag. „Die sparen nicht auf die dritte Rolex-Uhr.“

„Wir werden mit unserem Handlungskonzept den Drogenhandel hier nicht auf null bringen“, erklärte Panhoff. Ziel sei, die Parknutzer zu gegenseitigem Respekt anzuhalten und Angsträume zu reduzieren. Dazu wurden bereits Teile der Umfassungsmauer durch Zäune ersetzt und Parkeingänge übersichtlicher gestaltet. Auch Sauberkeit ist ein großes Thema im Park. Mit 140 000 Euro vom Senat hat der Bezirk einen Toilettencontainer aufstellen lassen.

Der Bezirk möchte, das sich Familien im Görli wieder wohlfühlen. Für die Kinder wurde der Spielplatz am Rodelberg erweitert, sogar mit kleinen Fontänen und einer Plansche. Ein Spiel- und „Barfußbereich“ wurde mit Baumstämmen markiert, für das Partypublikum sollen noch Hinweisschilder aufgestellt werden – „ein Versuch“, sagt der Landschaftsarchitekt Thomas Bauermeister vom Büro Gruppe F. Wenn die Schilder nicht reichen, um Partymacher abzuschrecken, sollen die Parkläufer den nötigen Respekt einfordern.

Am ebenfalls erweiterten Kinderbauernhof behilft man sich mit hohen Zäunen und Sträuchern als Sichtschutz, um unerwünschte Nutzergruppen abzuhalten. Das erhoffte Miteinander ist in der Realität oft ein Nebeneinander, das notfalls mit Grenzziehungen einhergeht. Der Görlitzer Park soll zwar immer noch ein Park für alle sein, aber nicht jeder darf überall hin. Der Parkrat soll als Basisgremium die Verhaltensregeln aufstellen und demokratisch legitimieren. Bloß nichts von oben dekretieren, gelobt Manager Demirci.

Zur Startseite